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Abgekanzelt: Ein Büro-Roman (German Edition)

Abgekanzelt: Ein Büro-Roman (German Edition)

Titel: Abgekanzelt: Ein Büro-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federico Baccomo
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betrachten. Sie hören sich lallen und sehen sich torkeln, straucheln und auf die Nase fallen und begleiten sich auf diese Weise selbst nach Hause. Genauso geht es mir jetzt, als mir mitten in Cardellinis Satz von einer ungewohnten Wut die Sinne vernebelt werden und ich merke, wie sich mein Körper erhebt, auf Cardellini zugeht, den linken Arm ausstreckt und ihn am Hemdkragen packt. Cardellini schwebt über seinem Stuhl und schaut mir verwundert in die Augen, in denen sich jetzt alles spiegelt: die lindgrüne Mappe, die Kaffees, die Krawatten, die Taxen, die Hotels, die Nächte, all die Leere. Und dann nichts mehr. In diesem Moment zieht sich mein rechter Arm zurück, um schließlich wie von der gespannten Sehne einer Armbrust gegen das Kinn des Kollegen zu schnellen.
    Ein trockener Schlag, und Cardellini fliegt in die Richtung, die seine Kinnlade vorgibt, und landet im Teewagen mit den Snacks. Der Orangensaft ergießt sich über ihn, gefolgt von den Salaten und einer halben Melone. Bruchstückhaft erhasche ich Bilder aus der Welt um mich herum: Boralettis entgeistertes Gesicht, Donatos gespanntes Grinsen, Giuseppes gelangweilte Grimasse, Emilys Hände vor ihrem Mund, Rashids Beifallsbekundungen. Und zwischen all diesen Bildern registriere ich das Lächeln von Ivan Cacciapuoti. Er nickt.

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    »Endru, Endru, Endru. Mein schöner Pfau schlägt endlich ein Rad. Aber ich habe es immer gewusst, Endru, dass du ein Gladiator bist. Ein Kämpfer. Eine glühende Zündschnur, und dann budubuuum .«
    Giuseppe ist mir in mein Zimmer gefolgt und sitzt im Sessel vor dem Schreibtisch, ein Bein auf der Armlehne. Zur Untermalung seiner Worte schlägt er mit der Faust ein paar Haken in die Luft. Ich sitze auf dem Bett und sehe zu, wie mein Knöchel violett anläuft.
    »Na ja, vielleicht hast du ein wenig übertrieben«, fährt er fort. »Cardellini hat sich geirrt, diese Klausel darf natürlich nicht gestrichen werden, aber deshalb muss man ihn ja nicht gleich schlagen, oder? Rashid hat es allerdings gefallen. Er hätte nichts dagegen gehabt, wenn du Boraletti auch eine reingehauen hättest, denn Boraletti kann er wirklich nicht ausstehen. Aber er ist trotzdem zufrieden, sagt er. So hat er immerhin mal erlebt, wie viel Energie hinter der Leidenschaft für den Beruf steckt.«
    »Giuseppe«, sage ich und strecke meine Finger. »Es ist doch klar, dass ich Cardellini nicht wegen der Klausel geschlagen habe.«
    »Das ist die Energie, die unsere Kanzlei zu einer der führenden auf dem Weltmarkt gemacht hat.«
    »Giuseppe, hörst du mir eigentlich zu?«
    »Mit Cardellini habe ich schon gesprochen. Sportlich, wie er ist, müssen wir uns um ihn keine Sorgen machen. Er hat mir zugesichert, dass wir das Projekt durchziehen, mit geblähten Segeln volle Kraft voraus. Der Rest – Anzeige, Prozess – ist euer Bier, das müsst ihr unter euch aushandeln. Das Leben ist schön.«
    Giuseppe greift in die Obstschale, nimmt ein Messer und schält eine Kiwi.
    »In jedem Fall …«, nuschelt er mit vollem Mund, »… großartig, Endru. Großartiger Endru. Die Energie der Leidenschaft. Das muss ich als neues Motto vorschlagen. Flacker, Grunthurst and Kropper – die Energie der Leidenschaft. Für siebenhundert Euro die Nacht sind die Kiwis übrigens ein Witz.«
    Es klingelt. Giuseppe steht auf und öffnet. Ich höre ihn leise reden, dann kehrt er zurück.
    »Wir sehen uns dann im Sitzungssaal, Endru. Boraletti soll nicht denken, er komme ungeschoren davon. Er wankt schon. Bis er nicht gestürzt ist, lassen wir nicht locker.«
    Er tritt zur Seite, und hinter ihm taucht Emily auf.
    »Ich überlasse dich ihr. Aber bitte …«, fährt er mit einem Lächeln fort. »Emily gehört zur Gegenseite. Leg sie nicht auf die Matte. Weißt du, was uns ihr Honorar kosten würde?«
    Emily wartet, bis Giuseppe den Raum verlassen hat, dann kommt sie näher.
    Sie bleibt stehen und schaut mich an.
    »Du bist verrückt«, sagt sie plötzlich wütend. »Darf man mal wissen, was in dich gefahren ist?«
    Ich bleibe sitzen und starre auf meine Schuhe. Die Schnürsenkel sind nicht ordentlich zugebunden. Die Knoten sind nicht symmetrisch. Stolperrisiko. Ich sollte Slipper tragen, das denke ich schon eine ganze Weile. Oder Schnallenschuhe.
    »Na?«, bohrt Emily weiter. »Warum schaust du mich nicht an? Und weshalb möchtest du mir nicht erklären, was vorgefallen ist?«
    Ich schaue auf und begegne ihrem Blick. In die Bestimmtheit, die sich in ihren Augen spiegelt, mischt sich ein Funke

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