Abgekanzelt: Ein Büro-Roman (German Edition)
instinktive Seite meines Gehirns zu sagen und war wenig geneigt, sich zu dümmlichen Vorurteilen hinreißen zu lassen.
Was für ein Volltrottel , schnitt ihr meine andere Seite das Wort ab, jene, die schreit und sich mit der Hand gegen die Stirn schlägt.
»Für wen war der Kaffee?«, fragte die Sekretärin.
»Für mich«, rief der Junge, der keine Ahnung von meinem inneren Konflikt hatte.
Ich setzte mich.
»Nun …« Vor mir auf dem Tisch lag der Lebenslauf, den man mir ein paar Minuten zuvor in die Hand gedrückt hatte: Bocconi, zwei Nachnamen, drei Sprachen, vier Sportarten. Ich kratzte mich an der Wange und versuchte, meine verstandesmäßige Seite zur Pflicht zu rufen, damit sie meine Gesten und Worte kontrollierte und ihren Job erledigte, aber sie hatte sich schon verfinstert und zwischen meinen Hirnwindungen versteckt, um dort die Blasen von Luftpolsterfolie zum Platzen zu bringen. Plop . Plop . Plop . Plop . Plop . Um den Typen scherte sie sich nicht mehr. Ehrlich gesagt schert sie sich seit geraumer Zeit um überhaupt nichts mehr.
Ich beschloss, das Schweigen zu brechen und in meiner Erinnerung nach irgendeiner dieser Fragen zu kramen, die mir im Laufe meiner eigenen Vorstellungsgespräche immer gestellt worden waren. Lustlos erkundigte ich mich: »Warum möchten Sie diese Laufbahn einschlagen?«
Der Junge begann zu erzählen, fast überheblich und vor allem viel zu laut. Er lobte sich selbst, betonte seinen Ehrgeiz und seine Motivation, sprach von Zielen, vom Markt, von Strukturen, vom Charme der Internationalität, und als er mich schon fast davon überzeugt hatte, ihm bei den nächsten Regionalwahlen mein Kreuzchen zu geben, bekannte er: »Ich könnte das asset sein, das eine Kanzlei wie die Ihre braucht.« Dann schwieg er und strich sich übers Kinn.
Ich sah ihn an.
Er sah mich an.
Ich tat so, als wäre nichts, und machte weiter.
»Sie sagen, dass Sie sich auf Gesellschaftsrecht, außergewöhnliche Projekte und Mergers & Acquisitions verlegen wollen.«
»Korrekt.«
»Erscheint Ihnen das nicht ein wenig verfrüht? Motivation ist natürlich wichtig, aber ich würde gerne verstehen, woher so eindeutige Überzeugungen rühren. Vor allem bei jemandem, der soeben erst seinen Abschluss gemacht hat.«
»Das stimmt. Vollkommen korrekt. Aber ich bin der festen Überzeugung, dass es in einer, wie soll ich sagen, modernen Welt – und das ist die heutige Welt zweifellos, wenn ich mir diese Bemerkung gestatten darf –, dass es also in einer solchen Welt von größter Bedeutung ist, von Beginn an seine targets …«
»Entschuldigung, was ist von größter Bedeutung?«
»Ich meine, dass die Spezialisierung eine Notwendigkeit für jemanden ist, der heute …«
»Nein, nein. Welches Wort haben Sie da eben benutzt?«
»Welches Wort ich benutzt habe?«
»Sie haben targets gesagt.«
»Genau.«
»Fahren Sie fort.«
Dieser Knabe ist ein asset , das targets verfolgt. Von dem Moment an konnte ich nur noch daran denken, wie ich als Kind meiner Spielzeugeisenbahn auf ihrem Weg über die Schienen nachgeschaut habe. Gehört habe ich nichts mehr.
»Giuseppe«, sage ich, kaum dass Mantecato Cristoforis, Giorgio, verschwunden ist und die intensive Duftspur eines im Ausland gekauften Rasierwassers hinterlässt. »Als du mich nach meiner Meinung gefragt hast, habe ich gesagt, dass wir Mantecato Cristoforis, Giorgio, auf gar keinen Fall einstellen sollten.«
»Das war voreilig, Endru. Aber das ist normal. Du hast noch keine Erfahrung.«
»Keine Erfahrung? Dieser Typ ist vollkommen überdreht, Giuseppe. Sag ihm, er soll etwas kopieren, und er wird überall herumlaufen und erklären, dass er mit der clonation of paper beschäftigt sei.«
»Hast du je den Namen Cristoforis gehört?«
»Nein.«
»Siehst du. Er ist der Neffe.«
Auf einen Kaffee
»Ich habe es wirklich gut getroffen. Der ideale Chef.«
»Tatsächlich? Ich habe gehört, dass er ein – wie soll ich sagen – Hurensohn sein soll.«
»Ach was! Freundlich, hilfsbereit, immer für seine Leute da.«
»Wer? Galloni? Es geht das Gerücht … Dort zu arbeiten, soll die Hölle sein.«
»Purer Neid.«
»Hast du denn dein Vorstellungsgespräch bei ihm gehabt?«
»Klar. Wahnsinnig sympathisch. Er hat gesagt, dass ich absolut in Frage komme, dass er allerdings noch ein vertiefendes Gespräch mit meinen Titten führen müsse.«
»Um die Spannung aus dem Ganzen herauszunehmen.«
»Natürlich. Er ist ein Gentleman.«
17
Das Gefühl, das ein neues Projekt
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