Abgekanzelt: Ein Büro-Roman (German Edition)
werden.«
Donato durchfährt ein Schauder, und er unterbricht seine friedliche Beschäftigung mit den Klebezetteln.
»Lassen wir einmal außer Acht«, fährt Emily fort, »dass wir nur ein paar Tage hatten, um einen Entwurf zu studieren, der schon kompliziert genug ist. Worüber wir aber auf keinen Fall hinwegzugehen geneigt sind, ist die Gesamtstruktur dieses Papiers. Was weiß ich … Nur ein paar Beispiele.« Emily blättert in dem Stapel vor sich herum. »Etliche reps müssen vollkommen umgeschrieben werden, wie etwa hier, condition precedent und die Bedingungen des pre-closing . Die gesamte governance hält sich nicht an die Vorgaben, die ich gemacht hatte. Was die way-outs betrifft, sollte das vielleicht ein Scherz sein. Und dann, deadlock , russisches Roulette, Klauseln zur Mitveräußerungspflicht. Das muss alles überarbeitet werden, schlicht und ergreifend.«
»Und das Papier, auf dem ich es habe ausdrucken lassen?«, frage ich. »Ist das wenigstens in Ordnung?«
Donato rollt mit seinem Stuhl zu mir herüber. Er zwickt mich ins Bein, schaut auf einen Stifthalter und murmelt: Heiliger Alexander . Emily legt die Hände auf den Tisch und starrt mich ein paar Sekunden lang an. Langsam ballt sie die Hände zur Faust. Dann entspannen sich ihre Gesichtszüge und nehmen einen Ausdruck milden Tadels an. Ihre Hände öffnen sich. Die Brüste üben sich weiterhin in Gleichmut.
»Dann die Klausel Nummer, nun … hier, seventeen « fährt sie unbeirrt fort. »Die nehmen wir ganz raus.«
So geht die Sitzung ihren Gang, unter Emilys Ausfällen und meinen Verteidigungsversuchen, Boralettis gewählten Kommentaren und Donatos kraftlosen Flüchen. Der meldet sich nur einmal zu Wort und sagt: »Ich möchte außerdem anmerken, dass in dem Entwurf der Name Zeus manchmal klein geschrieben wird.« Ab und zu fuchtelt er mit den zettelgespickten Papieren vor meiner Nase herum und klagt leise, dass er alles Nötige markiert habe. Nur darüber habe er diskutieren wollen, nur darüber.
»Klar, Donato«, flüstere ich. »Sag das nicht mir, sag das den anderen.«
Donato sinkt wieder in seinen Stuhl zurück und brummelt etwas vor sich hin.
Gegen Abend, als Boraletti gerade erklärt, dass die Unmöglichkeit einer eindeutigen Interpretation des Begriffs der Unangemessenheit nicht einmal vor der Gerichtsbarkeit des Obersten Gerichtshofes eine angemessene Auflösung finden würde , fühlt sich Emily plötzlich müde und erklärt, dass es nun genug sei und man morgen weitermachen könne. Sie sammelt ihre Sachen ein, lässt sich ein Taxi rufen und verschwindet im Inneren des Aufzugs, der die äußerste Grenze dessen darstellt, wohin ich sie zu begleiten wage. Boraletti tritt kurz danach aus dem Raum und sagt: »Auf Wiedersehen. Ich erwarte das neue mark-up . Und Präzision bitte.« Donato geht, ohne sich von mir zu verabschieden. Sein Mund ist zu einem Hühnerarsch verzogen und stößt glucksende Falsettlaute aus: » Alles muss überarbeitet werden der Entwurf ich bin Emily der Korinthenkacker alles muss überarbeitet werden alles alles .«
Der neue Vertragsentwurf mit den Hervorhebungen der vereinbarten Änderungen muss bis heute Abend fertiggestellt und in Umlauf gebracht sein, weil morgen schon die nächste Sitzung stattfindet. Ich habe mir aufgeschrieben, was heute verhandelt wurde, Kommentare, Anmerkungen, Korrekturen. Jetzt, im Halogenlicht der halbleeren Kanzlei, muss ich das Ganze in den Vertrag einarbeiten. Ich nutze die späte Stunde und die Ruhe überall, um mir einen Traum zu erfüllen und direkt mit meinem Schreibtischstuhl zur Kaffeemaschine zu rollen. Auf dem Rückweg verschuldet ein unauffälliges Loch im Teppichboden ein Überschwappen des Kaffees. Der Erfolg muss trotzdem gefeiert werden. Ich rufe Giovannino an, der gerade an einem Abtretungsvertrag arbeitet, und erzähle ihm von meiner Heldentat. Er sagt: »Nächstes Mal rufst du mich, dann setze ich mich noch auf dich drauf.«
Ich überquere den Platz und habe das Gefühl, dass alle mich anstarren.
Es ist Nacht. Verschiedene Grüppchen, die letzten Gespräche, Ich rauche noch eine, dann gehen wir , Warte, ich trink mein Bier aus, dann kann ich dich mitnehmen , Danke, aber ich bin mit dem Mofa da . Junge Männer, die trotz der noch ziemlich frischen Temperaturen kurze Hosen, offene Hemden und hormonellen Überschwang zur Schau stellen. Junge Frauen in Röckchen mit tiefsitzender Taille, die Schultern frei, das Lächeln sanft. Leute, die aus Dosen trinken, Eis
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