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Abgekanzelt: Ein Büro-Roman (German Edition)

Abgekanzelt: Ein Büro-Roman (German Edition)

Titel: Abgekanzelt: Ein Büro-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federico Baccomo
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deinem Schreibtisch.« – »Genau, ich rühre es nicht an!«), und dass sich das elegante Parkett in einen graubraunen Teppichboden verwandelt, übersät mit den Spuren von umgeschüttetem Kaffee und von den Essensresten, die während endloser Nachtsitzungen heruntergefallen und von schlurfenden Schritten plattgetreten worden waren. Der lächelnden Empfangsdame, die soeben ein Kompliment bekommen zu haben scheint, gehen die Feindseligkeiten mühelos von der Zunge, und die überaus geschäftigen Praktikanten plagen sich schlicht damit herum, eine Datei so zu formatieren, dass ein Papier in einer doppelseitigen Version ausgedruckt werden kann. Das alles sehe ich und spüre sofort, wie die Angst in mir aufsteigt, das Gefühl drohender Gefahr. Ein Schauer durchfährt meinen Körper, und ich lächle. Ich fühle mich zu Hause.
    Boraletti begleitet mich in einen Sitzungssaal, wo ich in der Gestalt, die aus dem Fenster schaut, sofort Emily erkenne. Sie trägt ein braunes Kostüm mit kurzer Hose und in der Taille gegürteter Jacke, dazu hochtransparente Seidenstrümpfe und Stiefel, die eng an den Beinen anliegen. Sie dreht sich um, weil sie unsere Anwesenheit bemerkt. Zu meiner Verwunderung lächelt sie.
    »Hallo, Andrea.« Sie kommt, um mir die Hand zu reichen.
    »Hallo, Emily«, gebe ich die vermutlich angemessene Antwort.
    »Wie elegant wir heute sind.«
    Sie hat es bemerkt, sie hat es bemerkt, super, suuuper … In meinem Kopf kreischt eine Stimme herum. Ich schenke ihr keine Beachtung und schüttle energisch Emilys Hand.
    »Aber nein, aber nein. Nicht doch, nicht doch«, widerspreche ich, und die Stimme in meinem Kopf schluckt ein paar Mal, erleidet einen Würgekrampf und verstummt.
    Ich trage einen dunkelblauen Nadelstreifenanzug, den ich mir von einem Schneider habe anfertigen lassen. Eleonora hat mich dorthin geschickt, weil sie der Meinung war, dass ich, wenn ich schon das schlaffe Bäuchlein nicht loswerde, es doch wenigstens verstecken solle.
    »Aber das sieht man doch gar nicht«, habe ich mich beschwert.
    »Via Terraggio. Signor Angelini ist auf der rechten Seite, wenn man von Sant’Ambrogio kommt«, hat sie geantwortet, und wir haben nie wieder darüber geredet.
    An den Füßen trage ich schwarze, spitz zulaufende Slipper, die ich mir auf Giuseppes Empfehlung hin gekauft hatte.
    »Wenn der Mensch ohne Schnürsenkel auskommt«, hatte er gesagt, »dann kommt er ohne alles aus. Das ist eine Lektion, Endru, die du dir zu Herzen nehmen solltest.«
    Den ultimativen Hauch von Klasse verleihen mir die rosafarbenen Socken, die genau auf die rosafarbene Krawatte, ein Weihnachtsgeschenk von Giovannino, abgestimmt sind.
    »Die heutige Mode verlangt nach Männern, die keine Angst davor haben, nicht wie solche zu wirken.«
    »Wieso?«, hatte ich gefragt, weil sich das meinem Verständnis entzog.
    »Weil ein Mann nicht immer ein solcher ist«, hat er geantwortet, ohne selbst zu begreifen, was er da eigentlich sagte.
    Auf meinem Gesicht liegt immer noch ein zufriedenes Lächeln, als Boraletti sich zu mir herüberneigt.
    »Hier geht es wohl kaum um Eleganz, was?« Boraletti steckt die Daumen in die Gürtelschlaufen. »Und Giuseppe? Hat der beschlossen, uns auch heute nicht mit seiner Anwesenheit zu beehren?«
    »Giuseppe ist auf dem Weg.« Ich stecke ebenfalls die Daumen in die Gürtelschlaufen. »Zusammen mit Donato. Er hat gesagt …«
    »Da sind wir schon.«
    Giuseppe steht in der Tür und reicht einer Sekretärin seinen Mantel und seine sizilianische Schieberkappe.
    »Passen Sie mir auf die Kappe gut auf«, sagt er und legt der Frau, die hinter ihrem Lächeln ein Gähnen zu verbergen sucht, eine Hand auf die Schulter. »Die hat mir meine erste Frau geschenkt, Friede ihrer Seele.«
    Giuseppe ist nicht Witwer. Kurz nachdem er mit dem Studium fertig war, hat er geheiratet, Liebe auf den ersten Blick. Ein Jahr danach stand er wieder alleine da. Seine Frau hatte sich mit dem Maler eingelassen, der eigentlich nur die gemeinsame Wohnung, in der sie jetzt noch wohnt, streichen sollte. »Mir war aufgefallen, dass er ziemlich lange brauchte, um diese verfluchte Wohnung anzupinseln. Natürlich war mir klar, dass es nicht leicht ist, alles in Himmelblau zu streichen, aber er hat einfach viel zu lang gebraucht.« Das waren die einzigen Worte, die ich ihn je über diese Angelegenheit habe verlieren hören, und zwar während eines Weihnachtsessens der Kanzlei, bei dem er vier Long Island Ice Tea getrunken und mit sich selbst Blues

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