Abgekanzelt: Ein Büro-Roman (German Edition)
entschuldigen und die besten Grüße ausrichten«, antworte ich, während Giuseppe hinter der Glaswand verschwindet, mir zuzwinkert und beide Daumen hebt.
Erster Sitzungstag mit der Gegenseite.
Franco Boraletti ist der Anwalt von Meyon & Tolsen, ein Jurist vom alten Schlag, über fünfzig, blaue Krawatte mit Dackelmuster, blauer Anzug mit beiger Baumwollweste, Eigentümer der Kanzlei Boraletti & Partner. Die Partner sind Felicia Boraletti, Tochter, Germano Boraletti, Sohn, und Gianna Boraletti geb. Comelli, Ehefrau von Germano. Einen Salon-Advokaten hat Giuseppe ihn genannt, um mich vorzuwarnen. »Einer von diesen Hochmütigen. Pass gut auf, denn innerlich kocht er. Wir sind ein großes Unternehmen, und er hat ständig Angst, dass er von einem großen Unternehmen geschluckt wird, er mit seiner Minikanzlei. Dabei werden wir Großen ihn uns sowieso einverleiben, das ist nur eine Frage der Zeit. Weißt du übrigens, wie er Meyon & Tolsen als Mandanten gewonnen hat, weißt du das, Endru?« Nein, das wusste ich nicht. »Nun, frag dich doch mal, mit wem es Felicia treibt«, sagte Giuseppe, ohne noch etwas hinzuzufügen.
Franco Boraletti hantiert mit seinem Blackberry herum. Mit der rechten Hand dreht er an der Kugel, mit der linken hackt er auf die Tasten ein, bis er das Gerät erschöpft wieder in die Gürteltasche schiebt.
»Emily sitzt im Taxi«, teilt er uns mit. »Sie schreibt, dass sie in wenigen Augenblicken hier sein wird.«
Donato schaut über seine Lesebrille hinweg, signalisiert ungeduldig Zustimmung und vertieft sich dann wieder in die Lektüre eines Papiers, das er bereits mit einer beeindruckenden Menge an grünen Klebezetteln zugepflastert hat. Ich setze mich neben ihn, schaue mich nervös im Raum um, sehe aber keine Spur von Cardellini.
»Wer ist denn diese Emily?«, frage ich Donato. »Ich kann mich nicht erinnern, dass sie auf dem Verteiler für die E-Mail war.«
»Emily ist Seniorwasweißich von Meyon & Tolsen«, flüstert er, ohne sich von seiner Arbeit ablenken zu lassen. »Sie wird das Dreifürzwei-Project leiten. Weißt du, lieber Armando…«
» Andrea .«
»Andrea.« Er zuckt mit den Achseln. »Mir kann es ja egal sein, oder im Gegenteil: Es ist mir sogar mehr als recht … Aber trotzdem fehlt mir da doch der nötige Ernst.«
»Inwiefern?«
» Inwiefern , fragst du?« Donato nimmt die Brille ab und fixiert mich.
»Ich verstehe nicht«, kürze ich das Ganze ab.
»Eine Frau.« Die Augen eines Besessenen. »Eine …«, er macht eine Pause, »… Frau.«
»Aha.«
»Das hast du ganz richtig gesagt, aha . Die stecken wir schön in die Tasche, nachdem wir sie ein bisschen vorgeführt haben, diese Frau«, verkündet Donato und tippt mit den Fingern in der Luft herum, als würde er eine unsichtbare Tastatur bedienen. »Die Verhandlungen werden absolut mühelos vonstattengehen. Prima. Einverstanden. I agree auf Englisch. Wenn es um wirtschaftliche Belange geht, würde ich allerdings sagen, dass man etwas mehr Seriosität an den Tag legen sollte. Wir sind Zeus Investments, der leader auf diesem Gebiet. Und niemand Geringeres als ich repräsentiert das Unternehmen, ich, mit all meiner Erfahrung im Gepäck: London, Paris, Cologno Monzese. Nur Meyon & Tolsen, die haben so etwas nicht nötig. Die machen auf exzentrisch und brauchen eine Frau. Wobei allerdings …«, und nun beginnt Donato plötzlich zu schreien, »auch dieses in Anführungszeichen Fräulein Emily aus London die Güte besitzen könnte, pünktlich zu erscheinen, weil es schließlich nicht so ist, dass wir anderen Zeit zu verschenken hätten, oder stimmt das etwa nicht, Herr Anwalt?«, schließt er und dreht sich zu mir hin.
»Mhm«, sage ich und verschwinde unter dem Tisch, um mir den Schuh zuzubinden.
» Mhm . Von wegen, mhm .«
Boraletti bekommt nichts mit oder tut so, als würde er nichts mitbekommen. Er holt einen Quo-Vadis-Kalender mit serviettengroßen Blättern aus der Tasche und beginnt, eine Reihe von Terminen zu streichen, als würde er sie im selben Moment, da er sie streicht, erledigen. D-d-d-das da und raus.
»Könnte ich einen Kaffee bekommen?«, fragt er – d-d-d-das da –, aber es ist nicht klar, an wen er sich wendet, also stelle ich mich dumm und überlasse ihn seinem Kalender. Da ich nicht weiß, was ich sonst tun soll, stütze ich meinen Kopf in die Hände.
Ich sitze immer noch mit verzogenen Wangen da, als plötzlich eine weibliche Stimme loskreischt: » Okay okay okay okay okay okay okay bye .« Die Frau
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