Abgekanzelt: Ein Büro-Roman (German Edition)
Kopf.
»Perfekt«, sage ich und packe seinen Nacken, damit er stillhält. »Es wäre nämlich nicht nett, ihm gar nichts zu schenken. Letztlich wird er mir sicher fehlen. Er ist ein Idiot, versteht sich von selbst, aber ein sympathischer.«
Ein Kollege aus der litigation schaut mich an, dann hebt er den Daumen. Ich nicke und sehe plötzlich, wie sich Giovannino mit einem gelben Busch in den Händen nähert. Mit großen Schritten ist er auch schon bei uns und bahnt sich einen Weg zu Achille.
»Mein Lieber«, sagt er, umarmt ihn flüchtig und küsst ihn auf die Wangen. »Hier. Das ist für dich.«
Achille nimmt das wuschelige Stofftier und betrachtet es. Eine Art gelber Vogel Strauß wackelt mit einem unregelmäßig behaarten Kopf, der auf einem langen, fehlproportionierten Hals sitzt, aus zwei hervorquellenden Augen in die Welt schaut und ein Lied singt, das in etwa peee peee peee geht.
»Und dieser Unfug soll von wem sein?«
Das sind die letzten Worte, die ich höre, bevor ich in Richtung Toilette stürze. Ich bahne mir einen Weg durch die Menge, entschuldige mich, schlängle mich zwischen Bieren und Krawatten hindurch und schiebe Brüste und Hintern beiseite, sämtliche Vorsprünge also, die sich in der Menge gerne betatschen lassen und mich damit ins Recht setzen.
Als ich die Toilettentür erreiche, habe ich die linke Hand schon an der Klinke und mit der rechten bereits den Hosenlatz geöffnet. Plötzlich umklammert jemand mein Handgelenk. Ein schneller Blick auf die Tür lässt mich unter der Aufschrift WC auch jene für Ladies erkennen. Verflixt. Mein Geist rotiert noch auf der Suche nach einer Erklärung, als sich, fast wie eine Marienerscheinung, anstelle der verzerrten Miene eines Sicherheitsmannes das Gesicht von Eleonora vor mir erhebt.
»Hi, Andrea.« Sie lächelt. »Es ist ja schon eine Weile her, aber sag bloß nicht, dass du in der Zwischenzeit eine Geschlechtsumwandlung vorgenommen hast.«
Ich stehe reglos da, vollkommen benommen. Der Chor der Cherubim wird immer wieder von Explosionen übertönt, Maschinengewehrsalven bilden den Kontrapunkt. Meine Entschuldigungen zerfallen wie Asche auf meiner Zunge und weichen der trockensten Dürre.
»Nein, eher nicht«, antwortet Eleonora sich selbst. »Dem Bart nach zu urteilen wohl eher nicht. Du hast dir immer noch nicht die schöne Sitte zu eigen gemacht, dich jeden Tag zu rasieren, was?«
»Hallo, Eleonora. Was machst du denn hier?«
Eleonora verweist mit einer großen Geste auf den Raum: Gespräche, Gelächter, Händeschütteln, weiße Zähne, durchtrainierte Körper, Begrüßungen, Gläser mit zerstoßenem Eis, Pfefferminzblättern, Ananas, Oliven.
»Ich nehme …«, sie zögert, »einen Drink?« Misstrauisch schaut sie mich an.
»Einen Drink«, bestätige ich. »Klar.«
Sie ist wunderschön. Ich sehe dasselbe Gesicht mit den Sommersprossen, dasselbe unbestimmte Lächeln, dieselben Haare – nur ein bisschen kürzer als damals –, die von einem schwarzen Band zurückgehalten werden. Der Hals ist in ihrer üblichen, leicht inquisitorischen Art geneigt.
»Und, Andrea?«, fragt sie unentschlossen. »Wie geht es dir?«
»Gut. So lala, im Großen und Ganzen. Oder nein, gut.« Ich nicke. »Es geht mir gut.«
»Was macht die Arbeit?«
»Ach, die Arbeit. Du weißt doch.« Du weißt es doch bestens , denke ich. »Aber ich kann mich nicht beklagen, gute Phasen, schwierige Phasen.«
»Zur Zeit ist eine schwierige Phase, oder irre ich mich?«
»Du irrst dich nicht«, gestehe ich, schaue ihr in die Augen und versuche, Gelassenheit vorzutäuschen. »Lass uns aber nicht hier vor dem Klo herumstehen. Wir können uns ja irgendwohin setzen. Ich lade dich zu einem Drink ein. Mojito, nicht wahr? Siehst du, ich weiß es noch. Viel Rum und wenig Pfefferminze. Komm, ich bin mit Kollegen hier.«
»Mit Kollegen? Was für eine Überraschung«, erwidert Eleonora, ohne den Sarkasmus zu verhehlen. »Das wäre nett, wirklich, aber ich wollte gerade gehen. Ehrlich gesagt, geht es mir auch nicht besonders gut.«
»Eleonora«, sage ich und erkenne meine eigene Stimme nicht wieder.
»Was ist?«
»Wieso habe ich dich bloß verlassen?«
»Eigentlich war ich es, die dich verlassen hat. Aber ich hatte nicht den Eindruck, dass es dir viel ausmacht.«
»Hatte es mit der Arbeit zu tun?«
»Bei dir hat immer alles mit der Arbeit zu tun.« Sie zuckt mit den Achseln. »Aber das gehört jetzt der Vergangenheit an. Es lohnt sich nicht, die Gründe und all dieses Zeug wieder
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