Abgeschaltet
Mensch hat die Kraft, auch sehr unwirtliche Landschaften zu besiedeln. Er benötigt dazu Wasser und Energie, nicht mehr, aber auch nicht weniger. Nun ist Wasser nicht Thema dieses Buches, aber es gibt, gerade in Wüstenregionen, einen Zusammenhang. Der besteht auch darin, dass man Meerwasser entsalzen und zu kostbarem Trinkwasser machen kann, wenn man über die dafür erforderliche Energie verfügt. Ein wesentliches Argument der Europäer übrigens, um nordafrikanischen Staaten das Desertec-Projekt schmackhaft zu machen.
Anhand des Wassers kann man, besser noch als anhand der Energie, deutlich machen, wie schnell Ressourcen bei übermäßiger Inanspruchnahme versiegen. Als nach der ersten Besiedlungswelle das Grundwasser nach Hunderten von Bohrungen weniger wurde, hat man sich mit dem Hoover-Damm beholfen. Nun aber sinkt der Wasserspiegel im Lake Mead nach einer zwölfjährigen Trockenperiode bedrohlich. Noch um etwa drei Meter darf er fallen, dann müsste das ohnehin schon mit verminderter Leistung arbeitende E-Werk ganz abgeschaltet werden. Zu groß wäre die Gefahr, dass Luftblasen in die Turbinen geraten, dort plötzlich zerplatzen und dabei Teile der Anlagen zerstören. Amerikanische Wissenschaftlerführen die Trockenperiode auf den Klimawandel zurück und prognostizieren mit einer Wahrscheinlichkeit von 50 Prozent, dass der Lake Mead bis zum Jahr 2021 völlig ausgetrocknet sein wird. Für die Stadt Las Vegas wäre das existenzbedrohend. Nicht wegen des fehlenden Stroms, sondern aufgrund des dann viel schwerer zu importierenden Wassers.
Ein weiterer Akt des Lehrstücks besteht darin zu erkennen, dass der Mensch die Natur im Zivilisationsprozess formt. Der Hoover-Damm ist zwar der größte, aber letztlich nur einer von vielen Eingriffen in den natürlichen Lauf des Colorado River: Flussauf- und -abwärts liegen ein Dutzend weiterer Dämme und außerdem noch zwei Fließwasserkraftwerke. Aber auch die Solarfarmen werden das Erscheinungsbild der Region prägen, wenn sie denn einmal einen wesentlichen Anteil an der Energieerzeugung der Region erreicht haben. Verglichen mit dem – zumindest im Zentrum mit Kratern übersäten – Atomwaffen-Testgelände ein milder Eingriff, zugegeben. Dennoch wird über ihn zu Recht diskutiert. »Für Sie mag das aussehen, als sei hier nichts als Dreck und Staub«, so Tom Fair. »Aber es gibt Menschen, die sehen darin ökologisch höchst sensible Gebiete.«
Es ist eine Frage der Perspektive. Aus dem Flugzeug sieht man tatsächlich nichts als Fels und Sand, in dieser Reihenfolge. Beim Wandern durch einen Naturpark hingegen sehe ich eine viel dichtere Vegetation, als ich gedacht hätte. Die Joshua-Bäume mit ihren dicken, behaarten Stämmen und den kleinen Palmblatt-Kronen mögen besonders spektakulär sein. Empfindlicher sind die Flechten und Moose, die die Felsen überziehen und 300 Jahre brauchen, um nach einer Zerstörung wieder zur alten Größe zu gedeihen.
Dennoch: Um Wasser und Energie für unsere Zivilisation zu nutzen, sind Eingriffe in den Naturhaushalt unumgänglich. Die Frage ist nur, wie wir diese Eingriffe so gestalten, dass diese Erde lebenswert bleibt. Für uns und für (möglichst) alle anderen Lebewesen.
Außerdem stellt sich die Frage, wie wir eine Umstellung auf eine kohlendioxidarme, perspektivisch sogar -freie Energiewirtschaft bezahlen wollen. Oder anders formuliert: wie wir möglichst wenig von unserem Wohlstand abgeben müssen, um Energie sauber zu erzeugen. Eine ökonomische Frage also, der ich in Bonn nachgehe.
»DEM KOHLENDIOXID EINEN PREIS GEBEN«
Eine Villa aus den zwanziger Jahren. Einst schlug hier das Herz der alten Bundesrepublik, nur wenige Minuten sind es zu Fuß ins ehemalige Kanzleramt. In der Villa residierte früher der ägyptische Botschafter, jetzt gehört das Haus Solar-Multimillionär Frank Asbeck. Vermietet hat er es an das Max-Planck-Institut zur Erforschung von Gemeinschaftsgütern. Hier forscht und publiziert Carl Christian von Weizsäcker, Neffe des ehemaligen Bundespräsidenten. Der zum Zeitpunkt meines Besuchs 72-Jährige leitete lange Zeit das renommierte energiewirtschaftliche Institut an der Universität Köln, zuletzt entfachte er 2009 eine heftige Debatte, als er in der FAZ für eine rationale Klimapolitik warb.
Seine Grundidee ist schlicht: Alle Staaten, die nennenswerte Mengen an Kohlendioxid emittieren, also vor allem die OECD-Staaten und die BRIC-Länder (Brasilien, Russland, Indien und China), setzen sich mit der OPEC
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