Abgeschaltet
in der Öffentlichkeit.«
»Für was also sollten deutsche Ministerien Forschungsgelder ausgeben?«
»Neben den erneuerbaren Energien halte ich vor allem »Clean Coal« für prioritär. Schon aufgrund der Braunkohlevorkommen in Deutschland.«
Weizsäcker argumentiert strikt rational, so wie man es von einem Ökonomen erwartet. Wenig Leidenschaft ist zu verspüren. Manchmal verwendet er Formulierungen – »Der Zug ist ja schon abgefahren« –, die einen Anflug von Resignation spüren lassen. Irgendwann frage ich ihn, ob er das Gefühl habe, gegen Windmühlen zu kämpfen. Er lacht, zum ersten Mal. Seinen Forschungsschwerpunkt hat Weizsäcker mittlerweile verlagert: Er sucht nach Indikatoren, mit denen man die Qualität staatlichen Handels messbar machen kann. Zwischen dem nackten Wert des Bruttosozialproduktes und »Happiness«-Faktoren, wie sie die Glücksforschung vorschlägt, will er einen dritten Weg finden.
Man kann die von Weizsäcker angestrebten höheren Preise für die Kohlendioxidemissionsrechte den Kosten für einzelne Technologien gegenüberstellen. Für die Umwelt ist jede vermiedene Tonne CO 2 gleich wichtig. Für die Volkswirtschaft spielt es aber durchaus eine Rolle, wie hoch die von den Bürgern und Industrieunternehmen zu tragenden Energiekosten sind. Eine Studie des Darmstädter Ökoinstituts hat 2007 verschiedene Formen der Stromerzeugung daraufhin verglichen, wie hoch die Kosten je vermiedener Tonne Kohlendioxid sind. Würde man streng nach Kosten-Nutzen-Relation vorgehen, müsste man demnach zunächst alle Kohle- und Gaskraftwerke mit einer Kraft-Wärme-Kopplung versehen, damit die Wärme, die in den Kraftwerken entsteht, nicht verpufft, sondern genutzt und von Abnehmern bezahlt wird. Als Nächstes gälte es alle Effizienzmaßnahmen auszureizen, denn die kosten im Mittel nur fünf Euro je nichtemittierter Tonne Kohlendioxid. Unterhalb der 40-Euro-Schwelle bleiben ansonsten nur Kernkraftwerke, Wasserkraftwerke, Windkraftanlagen auf offener See sowie Blockheizkraftwerke, die mit Biogas betrieben werden. Am teuersten wäre nach der Studie übrigens ein Solarstromimport aus Spanien mit mehr als 60 Euro je Tonne vermiedenen Kohlendioxids. Ein halbes Jahrzehnt später haben sich natürlich bei einigen Technologien die Kosten verringert, daher müsste man eine solche Analyse fortlaufend erstellen. Kosten-Nutzen-Betrachtungen führen auf jeden Fall zu rationalen Entscheidungen statt emotionalen Schnellschüssen.
»DIE ZEITEN BILLIGER ENERGIE SIND VORBEI«
Die Anzahl der Prognosen und Studien zur Energiezukunft scheint unendlich. Nicht einmal während der Arbeit an diesem Buch schaffe ich es, alle jene zu lesen, die im Tagestakt auf meinem Schreibtisch landen. Aber es muss ja einen Absatzmarkt für die fleißigen Ersteller all dieser Powerpoint-Folien und Tabellenwerke zu geben. Ein wichtiger Teilmarkt sind dabei wir Journalistne. Denn jede Nachricht, die mit einer plakativen Zahl arbeiten kann, hat höhere Chancen, gelesen zu werden. Und was zählt mehr als Aufmerksamkeit in einer Welt des medialen Überflusses?
Studie ist aber nicht Studie, in Sachen »Energie der Zukunft« gibt es eine höchste Autorität: den einmal im Jahr von der Internationalen Energieagentur (IEA) erstellten »World Energy Outlook«. Früher diente dieser Ausblick vor allem der Beobachtung der Ölpreisentwicklung. Die Gründung der IEA durch die führenden Industrienationen der Welt war eine Reaktion auf die erste Ölkrise Anfang der siebziger Jahre. Die in Paris ansässige Organisation sollte ein Gegengewicht zum Erzeugerkartell OPEC bilden und sich unter anderem darum kümmern, dass die strategischen Reserven stets für mindestens 90 Tage reichen. Folglich hatte die IEA einst den Ruf, ähnlich schwach an erneuerbaren Energien interessiert zu sein wie ihr ölproduzierender Gegenpart. Das hat sich gewandelt, spätestens seit Nuobo Tanaka im Jahr 2007 die Leitung der Agentur übernommen hat. Er war es, der auf dem Klimagipfel in Kopenhagen 2009 an die Staatschefs appellierte, es sei höchste Zeit, mit dem Umbau des Energiesystems zu beginnen. Wolle man das Ziel vonzwei Grad maximaler Erderwärmung erreichen, müsse sofort gehandelt werden. Abwarten ginge zwar auch, aber dann müssten die Maßnahmen nach 2020 so radikal sein, dass das Ganze 7000 Milliarden Euro mehr kosten würde, eintausend Euro je Erdenbürger.
Um zu solchen Aussagen zu gelangen, arbeiten die Statistiker der IEA mit mehreren Szenarien. Neben die
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