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Abgeschaltet

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Titel: Abgeschaltet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Winterhagen
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an einen Tisch und vereinbaren eine Obergrenze für das jährlich ausgestoßene Kohlendioxid. Diese Menge wird dann in Form von Zertifikaten an alle Länder verteilt, und zwar langfristig proportional zur Einwohnerzahl. Weil aber momentan die reichen Länder pro Kopf deutlich mehr Kohlendioxid ausstoßen, erhalten sie zu Beginn auch mehr der begehrten Zertifikate. Dafür zahlen sie in einen Fonds ein, der mit diesem Geld Zertifikate kaufen kann, und zwar so, dass der Preis für eine Tonne Kohlendioxid immer rund 45 Euro beträgt – das wäre etwa das Dreifache des heutigen Preises im europäischen Emissionshandel. Damit bekommt das Klimagas CO 2 einen weltweit einheitlichen Preis, der es den einzelnen Energieerzeugern erlaubt, in neue Technologien zu investieren. Der Clou an einem solchen System: Es setzen sich solche Technologien durch, die besonders preiswert saubere Energie erzeugen.
    »Warum sollte ein Emissionshandelssystem besser sein als ein Quotensystem oder eine Einspeisevergütung?«
    »Das ist klassische Ökonomie. Der Charme liegt darin, dass man dem CO 2 einen Preis gibt. Derjenige, der das CO 2 nicht einspart, zahlt einen bestimmten Preis. Wenn er zu Kosten, die unter diesem Preis liegen, CO 2 einsparen kann, dann wird er es machen. Es gibt kein anderes administratives System, das diese Intelligenz hat.«
    »Das funktioniert aber nur, wenn man Verlagerungseffekte vermeidet, also zum Beispiel energieintensive Branchen nicht auswandern können.«
    »Das muss ein weltweites System sein. Wenn wir das alleine machen, haben wir das Problem, dass energieintensive Branchen anderswo sogar noch mehr CO 2 produzieren. Weil wir kein weltweites System haben, versucht man beim europäischen Handel Unternehmen, die besonders energieintensiv produzieren, von der Verpflichtung auszunehmen, Lizenzen zu erwerben. Das ist aber eine unschöne Geschichte: Wie soll man die frei zugeteilten Mengen zumessen? Was, wenn ein bestimmtes Unternehmen dynamisch wachsen könnte, aber nicht genügend freie Lizenzen besitzt?«
    »Wie sieht die zweitbeste Lösung für die Zwischenzeit aus?«
    »Der Weg dahin ist gespickt mit politischen Rücksichtnahmen, ein idealer Übergang ist nicht zu erwarten. Auch wenn ich da gelegentlich von Zweifeln heimgesucht werde, ist es sinnvoll, wenn Europa jetzt als Vorreiter weitermacht, das aber in Maßen, also so, dass es nicht zu massiven wirtschaftlichen Verwerfungen kommt. Wichtig ist, dass so etwas wie ein Preisbewusstsein überhaupt entsteht.«
    Die Einspeisevergütungen, die das deutsche Erneuerbare Energien-Gesetz (EEG) für die Produzenten regenerativ erzeugten Stroms vorsieht, hält von Weizsäcker für völlig verkehrt. Zum einen, weil es seiner Ansicht nach nicht mit den Grundprinzipien der Marktwirtschaft vereinbar ist, wenn ein Produzent eine Abnahmegarantie für sein Gut – in diesem Fall den Strom – erhält. In einem 2008 geführten Interview mit der Wirtschaftswoche hat er dieses Gesetz sogar mit Zwangsernährung verglichen. Zum anderen verweist von Weizsäcker auf den »Sinn«-Effekt. Der Chef des Wirtschaftsforschungsinstituts ifo, Hans-Werner Sinn, hatte in seinem Buch »Das grüne Paradoxon« darauf aufmerksam gemacht, dass die Besitzer von Rohstoffvorkommen wie Kohle oder Erdöl ihren wirtschaftlichen Vorteil auf jeden Fall nutzen wollen und diese Rohstoffe konsequent fördern. Die Förderung erneuerbarer Energien führt daher nicht zu einem Verbrauchsrückgang, sondern zu einem Preisrückgang der fossilen Rohstoffe. Besonders schlimm wird es, wenn die Anbieter fossiler Rohstoffe erwarten, dass erneuerbare Energieträger künftig noch stärker gefördert werden und der Preis weiter sinkt, denn dann haben sie einen Anreiz, möglichst schnell möglichst viel zu fördern. Das grüne Paradoxon besteht also darin, dass die Förderung erneuerbarer Energie zu einem Mehrverbrauch fossiler Energieträger führen kann.
    »Der Sinn-Effekt klingt plausibel, ist er aber auch in der Praxis nachzuweisen?«
    »Das ist schwierig, denn der Verbrauch an fossilen Energien steigt ja nach wie vor. Es fällt daher schwer festzustellen, wo deren Preis läge, wenn es die erneuerbaren Energien und die Kernkraft nicht gäbe. Aber würde man eine solche Berechnung anstellen, dann käme wohl heraus, dass der Preis fossiler Energien höher wäre, mit der Folge, dass der Verbrauch geringer wäre. Man muss das Argument allerdings dahingehend abschwächen, dass das Angebot natürlich nicht unelastisch ist,

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