Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Abgeschnitten: Thriller (German Edition)

Abgeschnitten: Thriller (German Edition)

Titel: Abgeschnitten: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Fitzek , Michael Tsokos
Vom Netzwerk:
abstrakte Vorlage einer Übung an der Kunsthochschule vorzustellen, um noch mehr Distanz aufzubauen.
    »Also schön, gesetzt den Fall, ich schaffe es, mich nicht vollzukotzen, was müsste ich tun?«
    In Wahrheit hatte sie längst den Entschluss gefasst weiterzumachen, und das hatte der Schreck am Fahrstuhl bewirkt. Vorhin noch hatte sie geglaubt, ihren Ekel nicht überwinden zu können, doch kaum hatte sie den Seziersaal verlassen, hatte sie nicht Danny, sondern ein anderer, ebenso zerstörerischer Bekannter von hinten angesprungen: ihre Angst.
    Sicher, während sie Erik ausgezogen und ihm in den Mund geschaut hatte, war ihr schlecht geworden. Abscheu und Widerwille hatten sich in ihr breitgemacht. Aber Angst? Nein. Dafür hatte es keinen Platz gegeben. Danny war für wenige Stunden vollkommen aus ihrem Bewusstsein verdrängt gewesen. Und damit hatte diese »ferngesteuerte« Leichenschau etwas erreicht, was ihr in den vergangenen Wochen und Tagen selbst im Schlaf nicht gelungen war. So unangenehm es auch war, mit einer Leiche im selben Raum zu sein, ihren immer intensiver werdenden Duft zu teilen … – 
sie zu berühren! –
jedes damit verbundene Gefühl war immer noch besser als diese irrationale, beklemmende Panik, unter der sie jetzt schon seit Monaten litt und vor der sie sogar bis nach Helgoland geflohen war.
    Lieber kotzen als fürchten.
    Sie musste grinsen, als sie darüber nachdachte, dass sie den Spruch auf ein T-Shirt drucken würde, wenn das hier alles vorbei war. Vielleicht würde sie ihn sogar einem ihrer Comichelden in den Mund legen.
    »Setz das Messer unter der Kinnspitze an, drück es fest ins Fleisch und zieh es in einem Schnitt bis zum Brustbein nach unten«, forderte Herzfeld.
    Mittlerweile hatte sie wieder Handschuhe und Gummischürze an. Frisches Wasser lief aus der Handbrause in das Auffangbecken am Fußende. Sie wollte gar nicht daran denken, womit es sich gleich mischen würde, wenn sie die Anweisungen befolgte.
    »Ist das eigentlich erlaubt?«, fragte Linda mit Blick auf den Hals der Leiche. Der Mann musste sich kurz vor seinem Tode rasiert haben, sie konnte kleine Schnittwunden erkennen, die die Klinge in der grobporigen Haut hinterlassen hatte.
    »Ich meine, das alles hier darf ein Laie doch gar nicht, hab ich recht?«
    »
Ich
darf das, Linda. Du bist mein verlängerter Arm. Mach dir keine Sorgen, ich übernehme die volle Verantwortung.«
    »Auch für meine Alpträume?«
    Herzfeld schwieg am anderen Ende der Leitung.
    Sie atmete einmal tief durch, dann setzte sie an.
    Die scharfe Spitze der Klinge drang widerstands- und geräuschlos durch die Oberhaut. Sie hatte Blut erwartet, wenigstens ein dünnes Rinnsal, das aus der Schnittwunde austrat, aber es floss nicht ein Tropfen.
    Hättest ruhig hierbleiben können, du Feigling,
dachte Linda an Ender. Dann sprach sie zu sich selbst: »Das ist kein Mensch. Keine Haut. Das ist nur eine Puppe.« Tatsächlich fühlte es sich an, als glitte ein Teppichmesser durch feste Knetmasse. Die Haut teilte sich mühelos, und die Schnittränder bildeten zwei gelbrandige Kanten, die auseinanderklafften und den Blick auf bräunlich rote Muskulatur freigaben.
    »Bist du fertig?«, fragte Herzfeld.
    »Mental oder körperlich?«
    »Sobald du den Brustkorb erreicht hast, setzt du erneut am Kinn an, aber diesmal schneide bitte rechts und links am Unterkiefer entlang.«
    »Wieso flüsterst du auf einmal?«, wollte Linda wissen, und Herzfeld erklärte ihr, dass er nicht ungestört reden könne, weil jemand am Nachbartisch zuhörte.
    Am Nachbartisch? Wo zum Teufel treibst du dich rum, während ich hier deine Drecksarbeit verrichte?
    Lindas Anspannung schlug in Wut um: »Scheiße, kann ich nicht einfach durch den Hals stechen und das gelbe Ding da rausschneiden? Ich kann sogar von außen sehen, wo die Kapsel eine Beule wirft.«
    »Auf keinen Fall. Mach es bitte genau so, wie ich es sage. Sonst könntest du den Gegenstand kaputt machen und alle Informationen zerstören.«
    »Moment mal.« Linda setzte das Messer ab, mit dem sie bereits die Haut unter dem rechten Unterkieferknochen aufgetrennt hatte. »Kann das Teil explodieren? Ich meine, was, wenn es eine Bombe ist?«
    »Das ist unwahrscheinlich. Hätte der Täter mich auf diese Weise töten wollen, hätte er den Sprengkörper schon in der ersten Leiche deponiert.«
    Herzfeld klang bestimmt, aber nicht restlos überzeugt. Offenbar hatte er noch nicht an diese Möglichkeit gedacht.
    »Dein Wort im Gehörgang des

Weitere Kostenlose Bücher