Abgeschnitten: Thriller (German Edition)
Psychopathen«, sagte Linda und machte sich wieder ans Werk. Als sie fertig war, fragte sie, ob es ein Problem sei, dass sie grobe Zacken geschnitten hatte. Rechts und links von der Luftröhre aus bildete das Schnittmuster zwei rechtwinkelige Dreiecke.
»Du machst das sehr gut«, lobte Herzfeld, obwohl er das Ergebnis ihrer Arbeit nicht sehen konnte.
Linda wusste, dass es nur eine Phrase war, dennoch beruhigte sie seine einfühlsame Stimme ein wenig. »Und jetzt?«
»Jetzt brauchst du beide Hände. Eine Hand fürs Messer, die andere für die Pinzette.«
Linda griff sich das Instrument vom Beistelltisch. Durch den Hörer schien das Klappern von Geschirr zu dringen. War der Kerl etwa
essen?
»Mach es genauso wie eben beim Augenlid«, flüsterte der Professor jetzt wieder, nachdem er zuvor etwas lauter gesprochen hatte. »Halte eine Hautfalte fest und unterminiere mit der Klinge das Fettgewebe.«
»Unterminiere?«
»Sorry. Ich wollte sagen: Zieh die Haut nach oben, so weit es irgend geht, und löse das Fettgewebe darunter mit horizontalen Schnitten ab. Du musst die Klinge waagerecht halten und mit der Schneide jeweils zu den seitlichen Partien des Brustkorbs hinarbeiten. Ist ähnlich wie beim Filetieren.«
»Paul?«
»Ja?«
»Tu mir einen Gefallen und lass die Vergleiche, in denen Lebensmittel oder Kochmetaphern vorkommen. Mir ist auch so schon schlecht genug.«
Herzfeld entschuldigte sich ein zweites Mal.
Kein Mensch. Nur eine Puppe. Du bist im Kunstunterricht und sollst später die Eingeweide dieser Puppe zeichnen.
Die Haut löste sich unter dem Messer wie ein Stück Teppich von seinem Kleber. Als sie den Unterkieferbereich samt Hals auf diese Weise freigelegt hatte, konnte sie von der unteren Kinnspitze direkt in den Mund sehen.
»Dem steckt noch ein Stück Fleisch im Mund«, keuchte sie.
»Das ist der Zungengrund, wie wir es nennen. Der Täter wird nicht die ganze Zunge abgeschnitten haben. Du kannst den Stumpf ganz einfach …«
»… abschneiden«, vervollständigte Linda.
»Nein, nicht
abschneiden.
Du musst den Zungengrund
herausschneiden.
Stich die Spitze des Messers direkt in der Mitte des Unterkiefers im Mund nach unten, zirka fünf Zentimeter tief, direkt hinter den unteren Schneidezähnen. Dann ziehst du die Messerschneide an der Rückseite beider Unterkieferäste, direkt auf dem Knochen, nach links und rechts. Mit einer Klemme oder Pinzette fasst du das, was von der Zunge übrig geblieben ist, und ziehst es zu dir heran. Dann schneidest du mit dem Messer durch die Schleimhaut des Rachens, einmal durch das Zäpfchen hindurch. Und schon kannst du den Rest der Zunge ganz einfach herausziehen.«
Mit ekelverzerrtem Gesicht und mehrfach laut würgend folgte Linda Schritt für Schritt Herzfelds Anweisungen und trennte den blutigen Klumpen des amputierten Zungenmuskels aus dem Schlund des Toten heraus und legte ihn auf den Organtisch. Das Wasser im Ablaufbecken hatte sich blassrosa gefärbt, während Lindas Gesichtsfarbe zwischen Aschfahl und Kalkweiß wechselte.
Von da ab ging alles sehr schnell. Herzfeld wies sie an, den Kehlkopf von außen genau in der Mitte in Längsrichtung mit der Spitze des Messers aufzuschneiden und dann den Knorpel wie bei einem Cocktailshrimp auseinanderzuziehen, bis ihr die gelbe Kapsel in die Hand fiel.
Linda war viel zu aufgeregt, als dass sie sich über den erneuten Lebensmittelvergleich hätte aufregen können. Und auch als sich der Adamsapfel des Toten mit einem lauten Knacken in ihren Händen in zwei Hälften teilte und ihr ein rundlicher gelber Gegenstand aus der Tiefe des Kehlkopfs entgegenleuchtete, überwogen ihre Neugier und Anspannung jegliches Ekelgefühl.
»Du wirst nie erraten, was dem im Hals gesteckt hat«, wollte sie gerade noch sagen, doch sie kam nicht mehr dazu. Das verhinderte das Geräusch, das sie im ersten Moment für eine Explosion hielt.
Linda fuhr herum und starrte mit angstgeweiteten Augen zur Tür. Als sie erkannte, wer für den Lärm verantwortlich war, hätte sie am liebsten das Seziermesser nach dem Hausmeister geworfen.
»Scheiße, bist du verrückt geworden?«, brüllte sie gegen den laut wummernden Krach an. Sie hatte so konzentriert gearbeitet, dass sie Enders Rückkehr nicht bemerkt hatte. Er hatte eine bierkastenförmige, tragbare Stereoanlage in den Saal geschleppt und mit voll aufgedrehten Lautstärkereglern in Funktion gesetzt.
»Hallo, was zum Teufel ist da los bei euch?«, wollte Herzfeld wissen, jetzt, da Ender
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