Abgeschnitten: Thriller (German Edition)
den Pegel nach unten korrigiert hatte und man erkennen konnte, dass das kein Thrash-Metal war, der aus den Lautsprechern schallte, sondern herkömmliche Diskomusik.
»Sorry, meine Schuld. Wusste nicht, dass das Ding so laut eingestellt war.« Der Hausmeister zog ein zerknirschtes Gesicht und drehte den CD -Player noch etwas leiser. »Hab das Teil aus meinem Büro geholt. Dachte, es würde die Sache etwas auflockern. Ich meine, bei Dr. Starck hören sie doch auch immer Musik.«
»Dr.
Wer?
«, fragte Linda entgeistert.
»Starck. Eine bescheuerte Arztserie im Fernsehen«, antwortete Herzfeld durchs Telefon. »Und soweit ich das hören kann, ist das Lady Gaga und keine Musik.«
Linda musste lachen. »In diesem Punkt sind wir uns mal einig, Professor.«
Sie bückte sich, um den Gegenstand aufzuheben, der ihr eben vor Schreck aus der Hand gefallen war.
»Moment mal. Ist das ein Witz? Das Ding da haben Sie gerade aus dem Mann herausgeholt?« Ender näherte sich aufgeregt dem Seziertisch, drehte aber wieder ab, als er das blutige Wasser im Auffangbecken sah.
»Ja«, bestätigte Linda. »Ein Überraschungsei.«
»Ein was?«, fragte Herzfeld.
»Genauer gesagt, die gelbe Plastikschale vom Ü-Ei, in der immer das Plastikspielzeug steckt.«
»Oder eine andere Überraschung«, ergänzte Ender, ohne sich der Doppeldeutigkeit seiner Bemerkung bewusst zu sein.
»Soll ich sie öffnen?«
Diesmal wartete Linda die Anweisungen Herzfelds nicht mehr ab. Die Neugier hatte sie gepackt.
»Könnte ein Foto sein«, sagte sie, während sie das eingerollte Papier herausholte und vor der Arbeitslampe über ihrem Kopf gerade zog.
»Was ist drauf? Können Sie etwas erkennen?« Herzfeld klang nervös. Sie hörte einen Stuhl rücken, als wäre er ruckartig aufgesprungen.
»Eine Frau. Graues Haar, rundes Gesicht. Sieht aus wie die typische Oma in der Werbung.« Sie zuckte mit den Achseln. »Ich hab sie nie zuvor in meinem Leben gesehen.«
»Darf ich mal«, fragte Ender, und wieder schrak sie zusammen, weil sie nicht bemerkt hatte, wie er hinter sie getreten war, um auch einen Blick auf das Bild werfen zu können.
Der Hausmeister trat noch einen Schritt näher und beäugte die Fotos mit schief gehaltenem Kopf. »Leck mich am Arsch, wenn das nicht die alte Friederike Töven ist«, sagte er schließlich.
»Du kennst sie?«, fragten Linda und Herzfeld fast gleichzeitig.
»Nein, nicht direkt.« Ender kratzte sich besorgt am Hinterkopf. »Ich weiß aber, wo sie wohnt.«
23. Kapitel
W ie geht es Ihnen, Herr Professor?«
»Gut, äh, das heißt …«, fast hätte Herzfeld vergessen, dass er sich offiziell ja krankgemeldet hatte, »… es geht besser, ich denke, ich werde am Montag wieder fit sein.«
»Schön zu hören«, sagte seine Sekretärin erleichtert am anderen Ende der Leitung.
Babettes Sorge war nicht gespielt. Die Siebenundvierzigjährige, die man auf den ersten Blick mit einem Mann verwechseln konnte, war die Glucke des BKA . Von den meisten Mitarbeitern wurde sie »Mutti« genannt, und das nicht nur in Anspielung auf ihre sechs Kinder.
»Sind Sie gut versorgt? Soll ich Ihnen eine Hühnersuppe bringen?«
»Nein danke, sehr liebenswürdig.« Herzfeld wünschte, es wäre wirklich nur eine Magen-Darm-Grippe, an der er litt. Er würde jede Krankheit der Welt in Kauf nehmen, wenn das seine Tochter retten würde.
»Der Personalrat ist sehr aufgeregt, weil Sie sich krankgemeldet haben und den Termin nicht wahrnehmen werden, Herr Professor.«
Ach ja, richtig.
Herzfeld betrachtete die blaugrün geschwollenen Finger der rechten Hand. Nichts war ihm jetzt gleichgültiger als die Folgen seiner Schlägerei mit dem Tierquäler. Sollten sie ihn doch rausschmeißen. Mittlerweile hatte er Beweise unterdrückt und eine Frau angestiftet, die Totenruhe eines potenziellen Mordopfers zu stören. Gründe gab es also genug.
»Sie müssen in meinem Computer etwas nachsehen«, bat er seine Sekretärin, während er gemeinsam mit Ingolf wieder in den Porsche stieg. Neben ihnen versuchte ein verzweifelter Autofahrer, seine vereisten Wischwasserleitungen mit heißem Wasser aufzutauen. Auf Ingolfs Windschutzscheibe haftete nicht eine einzige Schneeflocke. Er hatte während ihrer kurzen Rast die Standheizung laufen lassen.
»Sie sind ja noch eingeloggt, Herr Professor«, sagte Babette kurze Zeit später tadelnd. »Was soll ich machen?«
»Friederike Töven. Sehen Sie bitte nach, ob Sie über diese Frau etwas in meinen Dateien finden.«
Kaum
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