Abgeschnitten: Thriller (German Edition)
hatte Ender den Namen vorhin laut ausgesprochen, hatte Herzfeld sich gefühlt, als wäre er durch eine wichtige Prüfung gefallen.
Töven.
Er hatte den Namen schon einmal gehört oder gelesen, dessen war er sich sicher. Nur zu dumm, dass er sich nicht an den konkreten Zusammenhang erinnern konnte.
»Ich habe einen Termin in meinem privaten Kalender, weiß aber nicht mehr, wieso«, log Herzfeld.
»Mit oder ohne Umlaut?«, fragte Babette nach der Schreibweise.
»Notiert hab ich ihn mir mit ö und v. Am besten, Sie suchen den Namen in allen Varianten. Es kann eine Patientin sein, eine Kollegin, eine Polizistin oder der Name eines Falls.«
»Oje, Herr Professor. Sie sind doch sonst nicht so vergesslich. Ihnen muss es wirklich schlechtgehen. Sind Sie sicher, dass ich nicht doch besser mit Tee und warmen Wickeln vorbeikommen soll?«
Herzfeld spürte, wie er in die Sitze gedrückt wurde, und hoffte, Babette würde sich nicht über das Motordröhnen des Porsches wundern, der gerade den Landstraßenzubringer Richtung Autobahnauffahrt entlangschoss.
»Starten Sie einfach den Suchlauf, das wäre mir eine große Hilfe.«
»Wenn ich Ihr gesamtes Aktenarchiv mit einbeziehe, kann das ein paar Minuten dauern.«
»Rufen Sie mich an, wenn Sie durch sind, ja?«
Herzfeld legte auf und wollte Ingolf ermahnen, bei dem dichten Schneeregen den Scheibenwischer nicht so sparsam einzusetzen, um nicht auch noch einen Unfall zu bauen, da kam schon wieder ein Anruf rein.
Zuerst dachte er, das Radio wäre angesprungen, dann realisierte er, dass die einleitende Fanfare zu Tschaikowskys Klavierkonzert Nr. 1 der Klingelton von Ingolfs Handy war.
Der Praktikant verdrehte die Augen und drückte mit dem Daumen auf eine Taste am Lenkrad.
»Hallo, Papa.«
»Hallo, mein Sohn.«
Mein Sohn? Meine Güte, der Innensenator klingt privat ja genauso gestelzt wie im Fernsehen.
Ingolf warf Herzfeld einen entschuldigenden Blick zu, dann sagte er: »Es ist gerade schlecht, ich bin unterwegs und nicht …«
»Bei dir ist es immer gerade schlecht«, unterbrach ihn der Vater rüde. Dann besann er sich wieder eines freundlicheren Tonfalls: »Ich habe eben ein längeres Gespräch mit Joe Harper in New York geführt.«
»Und?«
»Er sagte mir, das Geld wäre immer noch nicht angewiesen.«
»Wir sind uns ja auch noch nicht einig, Papa.«
Ingolf nestelte eine Packung Kaugummis aus der Innenseite seines Sakkos. Herzfeld fiel auf, dass der Praktikant ein Hemd mit Manschettenknöpfen unter seinem Maßanzug trug, und fragte sich, ob er das heute Morgen schon unter dem Kittel im Seziersaal getragen hatte. Vermutlich ging er in diesem Aufzug sogar zur Uni. Zugleich wunderte Herzfeld sich über die Natur des menschlichen Geistes, in den unpassendsten Situationen die nebensächlichsten Details zu registrieren.
»Junge, ich dachte, wir hätten das geklärt.« Der Befehlston des Vaters war wieder zurückgekehrt. Zu Herzfelds Erstaunen schien sich Ingolf auf die beginnende Auseinandersetzung zu freuen. Er richtete sich förmlich in seinem Sitz auf.
»Also verstärkst du die Polizeipräsenz auf den U-Bahnhöfen?«, fragte er seinen Vater.
Von Appen senior stöhnte laut auf. »Berlin ist pleite, wie soll ich das finanzieren?«
»Tja, lass mich kurz nachdenken.« Ingolf machte eine Pause, in der er mit den Fingern einen Trommelwirbel auf dem Lenkrad andeutete. »Oh ja, mir fällt da was ein. Das Zauberwort heißt: Sparen!«
»Junge, davon verstehst du nichts.«
»Ach nein? Ich sag dir mal, was ich nicht verstehe. Gestern bin ich an einem Plakat der Berliner Wasserbetriebe vorbeigefahren.«
»Und?«
»Werbung für einen Monopolisten? Was soll der Quatsch? Ich hab doch gar keine Wahl, von wem das Wasser aus meinem Hahn kommt. Nach meinen Recherchen kostet diese sinnfreie Imagekampagne den Steuerzahler mehr als eine Million Euro.«
»Mag sein. Aber ich brauche allein über fünfunddreißig Millionen für mehr Polizeipräsenz auf den Straßen. Und zwar jährlich!« Der Vater klang jetzt wie in einer Talkshowdebatte.
»Die Plakate sind auch nur ein Beispiel, Papa. Du bist der Senator, sei kreativ, sonst …«
»Drohst du mir etwa?«
»Nein, ich warne dich. Als Jurist sollte dir der Unterschied zwischen Drohung und Warnung geläufig sein.«
Pause. Während Herzfeld zu begreifen versuchte, was er da gerade mit anhörte, musterte er Ingolfs Profil. Keine Veränderung. Er sah immer noch jungenhaft, arrogant und schnöselig aus, nur wollte das auf einmal nicht
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