Abgeschnitten: Thriller (German Edition)
Sondereinsatzkommando warten, das mich hoffentlich rechtzeitig hier wieder rausholt.«
»Pass auf, Linda. Ich verspreche dir bei allem, was mir lieb und teuer ist, dass ich einen Weg finde, in den nächsten zwei Stunden bei dir zu sein.«
Ingolf warf ihm einen zweifelnden Blick zu.
»Bis dahin hast du die Wahl, untätig die Leichen anzustarren oder mir dabei zu helfen, das Versteck meiner Tochter zu finden.«
Herzfeld erklärte Linda, was er auf Martineks Laptop ganz zu Beginn der Aufnahmen gesehen hatte: den Stab in der Hand seines ehemaligen Kollegen, das Messer, mit dem der Rechtsmediziner den Stock mit Schnitzereien versehen hatte.
Jetzt ergab diese Sequenz einen grauenhaften Sinn.
»Martinek hat mir bislang in jeder Leiche eine Nachricht hinterlassen. Ich fürchte, die nächste hat er in den Holzstab geritzt.«
»Und ich fürchte, du kannst mich mal«, sagte Linda und legte auf.
Verdammt.
Herzfeld schlug mit der Faust gegen das Lederlenkrad.
»Hmm«, grunzte Ingolf, dem es mittlerweile etwas besserzugehen schien. Immerhin klapperten seine Zähne nicht mehr beim Sprechen. »Zwei Stunden?«
Er deutete auf den Bildschirm des Navigationsgeräts, der diese Zeitspanne allein für die Strecke bis zur Küste vorhersagte.
»Selbst wenn wir das Tempo hier durchhalten …«, Herzfeld hatte den linken Blinker auf Dauerfeuer gestellt, um die Autos vor sich von der Überholspur zu vertreiben, »… ist das wohl völlig unmöglich.«
Er sah zu Herzfeld, der in dem Adressbuch seines Handys nach einer Nummer suchte und dabei Probleme hatte, den rasenden Untersatz auf Spur zu halten.
»Es sei denn, Sie haben die Kurzwahl zu Superman in Ihren Kontakten abgespeichert.«
»So was in der Art«, sagte Herzfeld, nachdem er endlich die Telefonnummer gefunden hatte.
Er drückte auf das Symbol mit dem grünen Telefonhörer und war sich nicht sicher, ob er damit endgültig das Todesurteil für seine Tochter unterschrieb.
43. Kapitel
L ebenszeichen?«
»Nichts außer Hannahs Mailboxansage.«
»Tag der Entführung?«
»Keine Ahnung.«
»Beweise, dass Martinek involviert ist?«
Der wortkarge Teilnehmer, der Herzfelds Anruf schon nach dem ersten Klingeln mit einem mürrischen »Ja?« entgegengenommen hatte, hieß Florian Leuthner und war Einsatzleiter beim BKA .
»Die Präparation der Toten muss von einem Profi vorgenommen worden sein«, antwortete Herzfeld seinem Kollegen. »Die in den Leichen versteckten Hinweise brachten mich auf die Spur, und ich habe eindeutiges Videomaterial gesehen.« Herzfeld hatte den knappen Berichtston des BKA -Kommissars adaptiert und merkte, dass ihm die nüchterne Schilderung der Fakten dabei half, etwas Abstand zu dem Grauen zu gewinnen. »Der Computer mit der Aufnahme, auf der Martinek eine illegale Autopsie durchführt, befindet sich allerdings nicht mehr in meinem Besitz.«
Genauer gesagt, liegt der Laptopmonitor immer noch auf dem Steg am See.
»Bedingungen?«
»Wurden keine gestellt. Ich vermute einen Racheakt.«
»Klingt nicht gut«, murmelte Leuthner für seine Verhältnisse beinahe mitfühlend.
Herzfeld und er konnten sich nicht ausstehen, was vor allen Dingen damit zusammenhing, dass Leuthner ein bekennender Ossi-Hasser war. Der Chef der Abteilung für Schleuserkriminalität und Zwangsprostitution machte keinen Hehl aus seiner Abneigung gegen alles und jeden, der aus der ehemaligen DDR kam. Er empfand es als eine Zumutung, in Treptow zu arbeiten, fuhr niemals freiwillig in die Berliner Ostbezirke, hatte persönlich eine Verfassungsbeschwerde gegen den Solidaritätszuschlag angestrengt und hielt die Wiedervereinigung für eine größere Tragödie als Tschernobyl und Fukushima zusammen. Anfangs hatte er in Herzfeld einen Verbündeten gesehen, nachdem er erfahren hatte, dass der Rechtsmediziner noch vor dem Mauerfall »in den Westen gemacht« hatte. Als er dann aber merkte, dass Herzfeld kein Interesse daran hatte, sich plumpe Stammtischparolen anzuhören oder beim Feierabendbier über die undankbaren Ostler und den Untergang der D-Mark zu philosophieren, war die anfängliche Sympathie ins Gegenteil umgeschlagen. Privat würden die beiden sich nicht einmal die Hand geben. Beruflich aber waren er und Leuthner absolute Vollprofis, jeder bereit und willens, die persönliche Aversion so lange zurückzustellen, bis die Arbeit getan und der Job erledigt war. Aus diesem Grund war Herzfeld nicht sonderlich verwundert, dass sein Kollege nüchtern und professionell an den Fall
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