Abgeschnitten: Thriller (German Edition)
nachdem die Aufzeichnung unter mysteriösen Umständen gelöscht wurde. Fünfzehn Jahre später saß er dann doch noch in Tegel ein, wegen schwerer Körperverletzung. Er hatte einen Türsteher, der ihn nicht in ein Bordell lassen wollte, mit einem Schlagring verprügelt. Dafür gab es zweieinhalb Jahre. Nach neun Monaten war er wieder draußen.«
»Ich tippe auf gute Führung.«
»Korrekt. Er hat im Knast mit einer Sozialarbeiterin angebändelt, die ihn für ein Projekt zur Bekehrung straffällig gewordener Jugendlicher gewinnen wollte.«
»Und diese Sozialarbeiterin …«
»Hieß Sybille Thron. Sie wurde noch im Gefängnis mit Rebecca schwanger. Nach der Entlassung folgte die Hochzeit, und seitdem gibt es tatsächlich einige Anzeichen, dass Schwintowski es ruhiger angehen lässt. In den letzten Jahren gab es keinerlei körperlichen Übergriffe, nicht mal eine Kneipenprügelei, für die er früher berühmt-berüchtigt war. Ermittler gehen jedoch davon aus, dass er immer noch über gute Drähte in die Unterwelt verfügt und sein Umzugsunternehmen hauptsächlich eine Geldwäschefirma ist.«
»Wäre es dem Mann zuzutrauen, seine Frau post mortem zu zerstückeln?«, wollte Herzfeld wissen.
»Von seiner Gewalthistorie schon, aber die Ermittler bezweifeln es. Die Steuer hat ihn ein halbes Jahr beschatten lassen, und alle Fahnder waren sich darin einig, selten so einen fürsorgenden Familienvater erlebt zu haben. Er hat ein Jahr lang nicht gearbeitet, um das Babyjahr gemeinsam mit seiner Frau erleben zu können. Die beiden erneuerten regelmäßig ihr Ehegelöbnis, zuletzt vor sechs Monaten in Las Vegas. Und obwohl Sybille Thron zum Zeitpunkt der Hochzeit nahezu mittellos war, gibt es keinen Ehevertrag. Im Gegenteil, Philipp hat seiner Frau schon zu Lebzeiten mehr als die Hälfte seines Vermögens überschrieben, für den Fall, dass ihm etwas zustoßen sollte, inklusive des Penthouse, mehrerer Festgeldkonten und der Hochseeyacht.«
»Yacht?«
Ein Äderchen in Herzfelds Augenlid begann zu zucken, ohne, dass er etwas dagegen tun konnte.
»Ja, die
Rebecca I,
benannt nach der Tochter. Schwintowski gilt als begeisterter Off-Shore-Segler. Vor zwei Jahren hat er den Family-Cruiser-Cup gewonnen.«
»Welche Strecke ist er gefahren?«
»Wieso ist das wichtig?«
»Bitte!«, drängte Herzfeld. Das Zucken wurde schlimmer.
»Moment.« Er hörte eine Tastatur klackern, dann gab Yao ihm die Antwort: »Der Cruiser-Cup steigt regelmäßig im Rahmen der Nordseewochen.«
»Und verläuft?«
»In drei Teilstrecken rund um Helgoland.«
44. Kapitel
N a endlich«, blaffte Leuthner, nachdem Herzfeld das Gespräch mit Yao beendet hatte und wieder zu seinem Kollegen gewechselt war. Obwohl die Stimme des Einsatzleiters um einiges lauter war als die von Yao, schaffte sie es nicht mehr, zu Ingolf durchzudringen, der mit dem Kopf an der Beifahrerscheibe endgültig eingeschlafen war.
»Tut mir leid, dass ich Sie habe warten lassen«, sagte Herzfeld mit belegter Stimme. Er fühlte sich wie betäubt. Hatte er noch vor wenigen Minuten geglaubt, einen Teil des Rätsels mit Martinek entwirrt zu haben, war die Lage jetzt undurchsichtiger denn je.
Weshalb hat Sybille Schwintowski sich selbst das Leben genommen und danach verstümmeln lassen? Von wem? Und wenn sie auf dem Abschiedsvideo tatsächlich die Wahrheit sprach, weshalb nur hatte sie ihren Körper überhaupt für diese wahnsinnige Schnitzeljagd zur Verfügung gestellt? In welcher Verbindung steht sie zu Martinek? Zu Sadler? Zu mir?
Zwischen all den Variablen schien es nur eine Konstante innerhalb des Wahnsinns zu geben. Und die hieß Helgoland.
Leuthner quittierte Herzfelds Entschuldigung mit einem mürrischen Grunzen, dann sagte er: »Ich hab in der Zwischenzeit recherchiert. Es gibt tatsächlich ein Fluggerät, das ich außerhalb des Dienstwegs organisieren könnte. Eine Cessna im Privatbesitz eines guten Freundes, mit der wir letzten Monat vier Kinder aus einem Bordell an der polnischen Grenze ausgeflogen haben. Aber die nützt Ihnen nichts.«
»Wieso? Das Wetter soll sich in einigen Stunden beruhigen«, sagte Herzfeld und deutete durch die Windschutzscheibe, als wäre Leuthner in der Lage, seine Beobachtung zu bestätigen. Tatsächlich hatte es aufgehört zu schneien, und der Wind war nicht mehr so stark.
»Vielleicht in Ihrer Region. An der Küste tobt ein Sturm. Auf Helgoland ein Orkan.«
Trotz der schlechten Nachrichten klang Leuthner nicht völlig hoffnungslos, daher
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