Abgezockt
griff mit einer Kraft, die ihn erschreckte, nach seinem Arm. Er sah auf die blutigen Finger und lächelte schief. Ihre Finger auf seinem Unterarm waren Joshs erster körperlicher Kontakt seit der Bluttat. Bis jetzt war er nur Zeuge der Verletzung gewesen, das Blut jedoch besudelte ihn.
»Nein. Ich will, dass du dableibst. Ich will dich in meiner Nähe«, sagte Bell.
Josh zögerte. Er nickte und ging auf die Knie, damit er ihr besser beistehen konnte. Er umfasste mit einer Hand die von Bell und zwang sich zu einem dünnen Lächeln.
Er hätte ihr gern gesagt, dass alles gut werden, dass die Ärzte sie wieder hochpäppeln würden, aber die Lügen wollten nicht über seine Lippen. Stattdessen sah er ihr beim Sterben zu.
»Josh.« Sie schaute nicht ihn an, sondern starrte in das Dunkel des Wohnzimmers.
»Ja, Bell?« Er konnte den Blick nicht von ihr abwenden.
»Es tut mir so leid, Josh.«
»Für Reue ist es ein bisschen spät. Wir haben getan, was wir getan haben, und nichts lässt sich daran ändern.«
»Was ich getan habe, tut mir leid.«
»Ich weiß.« Er legte einen Arm um sie – vorsichtig, um das Messer nicht tiefer hineinzustoßen – und zog sie an sich.
Bell hustete. Blutspritzer tupften ihren Mund und ihr Kinn und trafen auch Joshs Gesicht. »Tut mir leid, dass ich dir nichts gesagt habe.«
»Schon gut.«
»Ich muss dir das aber sagen.«
»Nur, wenn es für dich wichtig ist, aber es kommt jetzt nicht mehr darauf an.«
»Ich bin HIV -positiv.«
Josh spürte einen Schlag, noch mächtiger als der auf seinen Hinterkopf. Der Arm, den er um Bells Schultern gelegt hatte, zitterte. Er starrte auf die Pfütze, in der er kniete. Das Blut dieser Frau enthielt den schlimmsten Virus der letzten dreißig Jahre. Und
er
hatte ungeschützten Sex mit ihr gehabt.
Bin ich infiziert? Ist Kate infiziert? Abby?
Die Tragweite seines potenziellen Kontakts mit dem Virus war ein Horror. Sein eigenes Todesurteil wäre auch eines für die Menschen, die er am meisten liebte.
»Die Infektion wurde in San Diego festgestellt. Ich hatte nicht vor, es dir je zu sagen, aber …« Die letzten Worte erstarben ihr auf der Zunge.
Schon wieder hielt er eine Tote in den Armen. Er ließ sie zu Boden sinken und stand auf. Er wandte sich zum Gehen.
»Es wäre mir lieb, Sie blieben noch eine Weile, Josh.«
[home]
30
J ames Mitchell trat aus den Schatten, einen Revolver in der Hand.
»Eine Ermordete und dieses viele Blut an Ihnen. Das war nicht sehr schlau, was?«
»Ich nehme an, Sie haben sie umgebracht«, sagte Josh.
Seine Wut galt nicht nur Bells Mörder, sondern auch sich selbst. Ihm war nie in den Sinn gekommen, dass Mitchell hinter all dem Blutvergießen stecken könnte.
»Warum haben Sie sie getötet?«
»Weil ich es hierfür brauche.« Mitchell wies mit seinem Revolver auf das Blut. »Um Ihre eigene Ermordung überzeugender zu machen. Es wäre vollkommen plausibel, wenn die erpresserische Ex-Mätresse Ihre Sünden, Mr. Michaels, dem Fernsehen und Ihrer Frau offenbart hätte. Deshalb töteten Sie sie in einem Wutanfall. Absolut einleuchtend, nicht?«
»Woher kannten Sie sie?«
»Oh, Bell und ich sind gute Freunde geworden. Wir haben – oder sollte ich sagen: wir hatten – viel gemeinsam. Sie, zum Beispiel.« Mitchell stieß mit der Waffe nach Josh. »Bell war sauer auf Sie, weil Sie sie abserviert hatten. Viele unverdaute Probleme.«
»Und nennen Sie das da eine Lösung?« Josh deutete auf Bells Leiche.
»So könnte man es nennen. Auf jeden Fall hatten Sie eine rührende Abschiedsszene.« Mitchell erstickte jede weitere Frage von Josh. »Bevor wir hier irgendwie weitermachen, brauche ich Ihre Fingerabdrücke auf diesem Messergriff. Dann kann ich alles fertig verpacken.«
»Und wenn nicht?«, sagte Josh. Es war ein schwacher Auflehnungsversuch – Schulhofgeprahle, hinter dem weder Macht noch Muskeln steckten.
»Dann werde ich Sie erschießen, Sie dort rüberschleifen und Ihre blutverschmierte Hand um das Messer drücken.«
Josh betrachtete nachdenklich den Boden. Er hatte keine große Auswahl. Der Killer würde ihn sowieso töten. Die Frage war höchstens, wann. Josh konnte ihm die Arbeit nur erleichtern oder erschweren.
»Warum haben Sie Jenks umgebracht?«
Mitchell lachte und schüttelte den Kopf, als hätte er einen Witz zum hundertsten Mal gehört. »Das war bloß ein Deckname. Der Kerl war ein Konkurrent von mir. Er sollte meinen Job übernehmen. Kollegenwettstreit – Sie wissen, wie das so
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