Abgezockt
würde sie neu aufflammen lassen. »Ist die Polizei irgendwie involviert?«
»Ja, aber sie hat nichts in der Hand. Ich habe den Polizeifunk abgehört, und man plant nichts weiter zu unternehmen, wenn sich keine neuen Erkenntnisse ergeben. Was nicht der Fall sein wird.«
»Ihr Wort in Gottes Ohr! Was planen
Sie
als Nächstes?«
»Ich werde etwas mehr über Michaels recherchieren, mich in seine Lebensführung vertiefen. Je näher ich an ihn rankomme, desto leichter wird die Sache.«
»Lassen Sie uns nur nicht hochgehen!«, sagte der Auftraggeber. »Was ist mit dem anderen Projekt?«
»Steht in den nächsten Tagen auf dem Programm. Bei dem sehe ich weniger Probleme. Die Alte ist nicht so auf Draht wie Michaels.«
»Hoffen wir, Ihr nächster Anruf ist eine Erfolgsmeldung.«
»Habe ich vor dieser Sache je versagt?«
Der Profi hörte, wie aufgelegt wurde, und schaltete das Telefon aus. Er nahm es seinem Kunden nicht übel. Der Mann war ein gieriges Arschloch, das sich als der Boss fühlte. Ihm selbst sollte das nur recht sein. Es machte seinen Auftraggeber verwundbar, so dass der Profi ihn notfalls leichter beseitigen konnte.
Er legte das Handy zurück in den Aktenkoffer, zog eines der beiden anderen und ein Adressbuch hervor. Er blätterte die Seiten rasch durch. Die Namen und Anschriften gehörten keinen Verwandten, Bekannten oder Geschäftspartnern, sondern den Opfern. Jeder stand für eine Person, die der Profi im Auftrag seines Arbeitgebers getötet hatte. Er fühlte sich verpflichtet, diese Namen für die Nachwelt festzuhalten. Alle Künstler führten Buch über ihre Werke, warum also nicht auch er? Er wusste, es war sehr riskant, das Heft bei sich zu haben, aber er konnte nicht anders.
Bei dem Buchstaben M hielt er inne. Es stand nur ein Name in der Rubrik. Die von Michaels und Macey würden sehr bald dazukommen. »Sehr bald«, sagt er und klopfte dabei auf die Seite.
Er legte Adressbuch und Akten wieder in den Koffer, verschloss ihn und trug ihn zu seinem Wagen, einem Ford Taurus als Ersatz für den Explorer. Er wusste, die Polizei hatte keine Ahnung vom Kennzeichen des schwarzen Offroaders, aber ein Risiko war das nicht wert. Er öffnete den Aktenkoffer erneut, zog die 9-mm-Halbautomatik hervor, überprüfte sie und steckte sie dann in das Holster unter seiner Jacke.
»Mal sehen, was Mr. Michaels heute Abend vorhat«, sagte der Profi zu sich selbst.
[home]
5
J osh ging in die Sports-Bar und sah sich nach Bekannten um. Es war kühl hier drinnen, und die ersten Nachmittagsgäste trafen gerade ein. Man sprach in gedämpfter Lautstärke, doch die Stimme von Bob Deuce tönte überall heraus. Dort drüben saß er, ein fröhlicher Zwei-Zentner-Mann, dessen Leibesfülle das Ergebnis von Bier, Junkfood und einem Heißhunger nach Sport im Fernsehen war. Auf die Sportart kam es nicht an; in den letzten Jahren hatte er sogar Geschmack an europäischem Fußball gefunden.
Bob kritisierte von seinem Barhocker aus lautstark die Entscheidung eines Baseballschiedsrichters im Fernsehen. Er äußerte diese Unzufriedenheit gegenüber einem Mann, den Josh nicht kannte. Der Mann war bestimmt auch für Bob ein Fremder. Bob hatte ein Geschick, mit wildfremden Leuten ins Gespräch zu kommen. Sein angewiderter Gesichtsausdruck verwandelte sich in ein breites Grinsen, als er Josh entdeckte.
»Hey, gluck-gluck, Käpt’n Nemo«, rief er dröhnend durch das ganze Lokal.
Alle drehten sich zu Josh um, und sein Gesicht glühte vor Verlegenheit. Er grüßte seinen Freund mit erhobener Hand und versuchte, beim Durchqueren des Raums die ungewollten Blicke zu vermeiden.
»Hey, Bedienung, ein Glas Flusswasser für meinen guten Freund«, rief Bob.
»Was darf’s sein, Nemo?« Der Barkeeper ging mit keiner Miene auf Bobs Anspielung ein.
»Sam Adams«, antwortete Josh.
Der Mann öffnete eine Bierflasche und stellte sie ihm hin.
»Das ist der Typ, der im Sacramento aus seinem sinkenden Auto gekrabbelt und ans Ufer geschwommen ist, obwohl er gar nicht schwimmen kann«, verkündete Bob, während er für Josh zahlte.
»Sie sind das!«, bemerkte der Barkeeper trocken und widmete sich dem nächsten Gast.
»Davon hab ich im Fernsehen gesehen. Sie sind echt ein Glückspilz«, meinte Bobs Platznachbar.
»Ja, irgendwie«, sagte Josh, bevor er sich an Bob wandte. »Bei deinem Feingefühl solltest du Schwerstkranke betreuen. Da wärst du der Hammer.«
»Hey, Mann, du hast ausgesehen, als müsste man dich ’n bisschen hochnehmen. Dein
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