Abgezockt
rief an, als Sie schon weg waren. Tut mir leid, dass ich es nicht notiert habe. Schicken Sie ihn rein.« Bob setzte ein dünnes Lächeln auf. Er hatte keine Lust, diesen Kerl zu sehen, aber Geschäft war Geschäft.
Maria verschwand.
Bob sah auf seinen Schreibtisch: ein Saustall. Er spielte mit dem Gedanken, aufzuräumen, aber ihm fehlte einfach der Antrieb.
Soll er doch sehen, dass ich schlampig bin.
Maria erschien mit seinem Zehn-Uhr-Termin. »James Mitchell, Bob.«
Sie zog sich zurück, und die Männer stellten sich einander händeschüttelnd vor. Die Kraft dieses Händedrucks erstaunte Bob. James Mitchell wirkte durchschnittlich. Statur, Größe, die hohe Stirn und das nichtssagende Gesicht – alles war Durchschnitt. Als Figur in einem Suchbild hätte ihn niemand je entdeckt. Mitchell war etwa fünfundvierzig Jahre alt und konservativ angezogen, im typischen Einreiher.
»Was kann ich für Sie tun, Mr. Mitchell?«, fragte Bob.
»James, bitte. Ich besuche derzeit diverse Versicherungsagenturen in Kalifornien, um für Pinnacle Investments die Werbetrommel zu rühren und sie an unsere besonderen Angebote zu erinnern. Sie haben uns in der Vergangenheit zu Geschäften verholfen, aber leider sind die Beziehungen eingeschlafen und ich wüsste gern, was wir für Sie und Ihre Klienten tun können«, sagte Mitchell.
Bob sah keinen Sinn darin, dieses Treffen höflichkeitshalber in die Länge zu ziehen. Er wollte den Vertreter schleunigst wieder loswerden. »In Ordnung, James. Der Hauptgrund für den Rückgang ist, dass Sie sich an Kapitalanleger wenden, und ich bin Versicherungsmakler. Ich habe einige von Ihren Lebensversicherungen verkauft, aber ich musste feststellen, dass Ihre Konkurrenz teilweise viel bessere Tarife anbietet.«
Mitchell bat Bob, die Unterschiede zwischen Pinnacle Investments und ihren Mitbewerbern kurz zu skizzieren. Er schrieb Bobs Bemerkungen in ein Notizbuch, das auf dem Aktenkoffer lag, welchen er auf seinen Knien balancierte.
Bob hielt die Prozedur zwar für Zeitverschwendung, aber sie lenkte ihn von seinen anderen Sorgen ab.
»Wie ich sehe, haben Sie im Lauf der letzten Jahre mehrere Lebensversicherungen an uns veräußert – von einem inzwischen verstorbenen John S. Densmore, einer Margaret F. Macey und einem Joshua K. Michaels.«
Bob nickte zustimmend.
»Ich wollte unsere Daten zu Margaret Macey und Josh Michaels aktualisieren.«
»Augenblick! Ich hole die Akten«, sagte Bob und verließ seinen Schreibtisch, um in das Archiv zu gehen. Nach einer Weile kam er mit den Unterlagen zurück und fragte: »Was wollen Sie wissen?«
»Josh Michaels – ist er immer noch Hobbypilot und Bergsteiger?«
»Ja, fliegen tut er regelmäßig, aber bergsteigen tut er, glaube ich, kaum noch.«
»Und wie steht es um seine allgemeine Gesundheit?«
»Gut, soviel ich weiß.«
»Schön. Und der Gesundheitszustand von Margaret Macey?«
»Weniger gut. Ich war vor ein paar Monaten bei ihr, um ihre Immobilienversicherung zu verlängern, und da schien es ihr nicht so besonders gutzugehen. Sie ist ein sehr nervöser Mensch – wahrscheinlich inzwischen medikamentenabhängig.«
»Dann schlägt die Therapie nicht erfolgreich an, was?«
»Nein, die Medizin dürfte kaum Aussichten haben, ihre Herzprobleme zu beheben.«
»Die Krankheit ist also unheilbar? Tödlich?«
»Nein, ich glaube, Margaret ist einfach altersschwach«, sagte Bob und fügte hinzu: »Sie hat die Lebensversicherung veräußert, weil sie Geld brauchte – bar auf die Hand –, nicht weil sie todkrank wäre.«
»Schlimm ist das!« Mitchell schien angemessen gerührt, doch plötzlich hellte sich sein Gesicht auf. »Danke für die aktuellen Infos, Bob. Haben Sie sonst noch irgendwelche Kandidaten für diese einmalige Versicherungschance? Das ist nämlich eine florierende Sparte. Ich weiß, ursprünglich waren die Verkäufe eine Möglichkeit für die unheilbar Kranken, aber seit einiger Zeit wird es immer mehr ein Weg zur schnellen Bargeldbeschaffung.«
»Ich habe nicht viele unheilbar kranke Kunden. Wenn ich den Verkauf empfohlen habe, dann nur für den Notfall. Und was Kapitalbeschaffung angeht, möchte ich mit derlei wirklich nichts zu tun haben, außer mein Klient bittet darum.«
»Das verstehe ich, solange uns die Konkurrez nicht aus dem Feld schlägt. Wir sind stolz darauf, Versicherungen zu den besten Bedingungen auf dem Markt anzukaufen.«
Bob hatte keinen Bedarf nach Werbesprüchen und beendete die Angelegenheit. Sie
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