Abgezockt
Kranz, den Ihre Firma ihm geschickt hat! Waren Sie das?«
Der Abteilungsdirektor ärgerte sich mehr als sein Killer über diese Dummheit. Er hatte sich einen Spaß erlaubt, doch der Schuss war nach hinten losgegangen. Wenn einer der Lebensversicherten starb, schickte er jedes Mal einen Kranz. Es war ihm ein besonderes Vergnügen, von dem Todesfall zu wissen, noch bevor es die Angehörigen taten. Er hatte einen Fehler gemacht, nachdem ihm Josh Michaels’ angeblicher Tod telefonisch gemeldet worden war. Und warum auch nicht? Der Auftragskiller hatte sein Ziel bis dahin nie verfehlt. Diesen Fehler würde sich Tyrell nicht noch einmal leisten; kein Kranz, bevor der Tod wirklich feststand.
»Hätte ich nicht diese Scheiß-Falschmeldung über seinen Tod erhalten, dann wäre das nie passiert«, erwiderte der Manager. »Was haben Sie nun weiter vor?«
»Die Frau läuft planmäßig, und ich werde die Sache bald abschließen. Meine Recherchen haben ergeben, dass Michaels eine zweifelhafte Vergangenheit hat. Er hat oder hatte ein Verhältnis, und ich sehe die Möglichkeit zu etwas Spektakulärem, das keinen Verdacht erregen würde. Das erfordert allerdings ein bisschen Vorbereitung.« Der Stolz des Profis klang durch.
Tyrell machte das eher Angst. Die hochfliegenden Pläne des Killers flößten ihm keine Zuversicht ein. »Dass es nur nicht wieder danebengeht! Ich will nicht, dass diese Pannen zur Gewohnheit werden. Das ist der falsche Zeitpunkt dafür.«
»Ich hatte bisher nie etwas vermasselt, oder?«, erwiderte der Profi.
»Guten Tag!«, sagte Tyrell und beendete das Gespräch.
Er schleuderte das Handy auf den Schreibtisch, so dass es quer über die glatte Oberfläche glitt und an der Tischkante liegen blieb. Der Ressortmanager hatte eine Stinkwut auf den Killer. Dieser Kerl wurde zu überheblich mit seinen ausgeklügelten Unfällen. Das machte ihn untauglich. Er bereitete Tyrell schon länger Sorgen. Die letzten drei Morde waren planmäßig verlaufen, aber die Mordmethoden waren dermaßen konstruiert, dass die Sache auch leicht hätte schiefgehen können.
Was also blieben Tyrell für Alternativen? Den Killer entlassen? Er hätte ihn nur allzu gern durch jemanden ersetzt, der weniger umständlich vorging. Aber irgendwie glaubte Tyrell nicht, dass man Auftragskiller so einfach feuerte. Das war nun mal nicht üblich in der Branche. Was konnte er sonst tun? Der Typ war ein zu großes Risiko. Man durfte ihn nicht frei herumlaufen lassen. Aber Tyrell wusste kaum etwas über ihn. Seine Überlegungen führten ihn zu einem Schluss, der seinem Killer nicht gefallen würde.
Aber vorerst brauchte er ihn, und er brauchte eine höhere Sterberate. Damit die Firma das Geschäftsziel erreichte, musste die Lebenserwartung der Versicherten verringert werden. Tyrell würde den Vorstandsmitgliedern zu gerne zeigen,
wer
geeignet war, dieses Unternehmen auf Hochglanz zu bringen. Er steckte das Handy ein, nahm seinen Aktenkoffer und verließ das Büro. Hoffentlich hatte er morgen mehr Erfolg.
Eine Stunde später saß der Profi in einer Restaurantbar. Speisen und Getränke waren teuer, entsprechend zahlungskräftig die Klientel – eine Mischung aus hohen Beamten, Geschäftsleuten und gut verdienenden Büromenschen. Der Profi fragte sich, wie viele von diesen Männern eine wertvolle Lebensversicherung an Unternehmen wie Pinnacle Investments abgetreten hatten. Würde er einem von ihnen einmal einen Besuch abstatten? Er lächelte bei dem Gedanken. Es amüsierte ihn, wie die Menschen sich immer wieder selbst schwerwiegende Probleme einbrockten. Sein klarer, einfacher Lebensstil, frei von Ballast und Verpflichtungen, würde ihn davor bewahren, dass er je die Pistole auf die Brust gesetzt bekam.
Er trank ein Mineralwasser, und sein Blick war auf das Baseballspiel im Fernsehen gerichtet. In Gedanken aber weilte er anderswo. Ja, Dexter Tyrell war ein Arschloch, so viel stand fest. Der Firmenmanager wollte, dass alles sofort passierte, aber diese Art von Arbeit benötigte Planung. Tyrells Problem war seine Gier, aber Gier führte zu Schlamperei, und die wiederum führte zu Fehlern. Der Profi überlegte, diesen Job abzublasen, das Schließfach aufzugeben und die Handys wegzuwerfen. Und falls er entdeckte, dass Tyrell zur Gefahr wurde, dann würde er sich auch um ihn kümmern. Ein für alle Mal.
Eine Hand berührte ihn leicht an der Schulter, und jemand sprach mit ihm. Der Killer erwachte ruckartig aus seinen Gedanken.
»Hi, James.«
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