Abgezockt
Weg zum Fahrstuhl. »Sag mir Bescheid, wenn was Besonderes passiert, ja?«
»Klar«, antwortete sein Kollege, ohne den Bildschirm aus den Augen zu lassen.
Es war neunzehn Uhr. Sie hatten ihren Dienst erst vor zwei Stunden angetreten, und bis am nächsten Morgen um sieben würde ein Haufen Schrott in der Glotze angeschaut werden. Dann nämlich wäre ihre Schicht bei Pinnacle Investments zu Ende.
Das Gebäude lag still da. Die hektische Betriebsamkeit des An- und Verkaufs von kurzfristigen Investitionen war vorübergehend ausgesetzt. Die einzigen Geräusche kamen von dem Fernseher und den gelangweilten Männern, dem Summen der Neonlampen und dem Piepen eines Telefons, das in einem Büro in der obersten Etage des Ostflügels gewählt wurde.
In diesem Büro tippte Dexter Tyrell eine Nummer in sein Handy. Das Mobiltelefon war laut Anweisung des Profis weder auf Tyrells Namen noch auf Pinnacle Investments registriert. Der Abteilungsdirektor kontaktierte seinen Auftragskiller. Er wollte einen Bericht über die Fortschritte, und vor allem wollte er Resultate. Er brauchte sie.
Sein Treffen mit dem Vorstand war wie erwartet verlaufen. Man hatte die Quartalszahlen nicht besonders gut aufgenommen. Tyrells Abteilung – der Erwerb von Lebensversicherungen – machte zwar Gewinn, verfehlte aber doch das fünfzehnprozentige Wachstum, das die Firma verlangt und Tyrell versprochen hatte. Immerhin waren die Erträge besser als im vorigen Quartal, die wiederum besser waren als im vorvorigen. Er hatte alles unter Kontrolle; er brauchte lediglich Zeit, dann würde er es schaffen. Er wusste, dass der Vorstand sich allmählich gegen ihn verbündete. Man wollte ihn loswerden. Er sah sich schon durch einen Nachfolger ersetzt, dem man wirkungsvolleres Management zutraute.
Die Idioten, wenn die wüssten!
Hätte einer von ihnen auch nur dasselbe gewagt wie er? Wohl kaum. Seine einzige Rettung war, das Tempo des Vorhabens zu beschleunigen. Er wusste, er riskierte öffentliche Bloßstellung und eine Untersuchung, aber er stand mit dem Rücken zur Wand und wollte verdammt sein, wenn seine Abteilung in die Schusslinie geriet. Er musste alles riskieren.
Tyrell hörte den Ton des Freizeichens. »Komm schon, los, geh ran! Ich will wissen, was du machst«, murmelte er.
Nach mehrmaligem Klingeln meldete sich der Profi.
»Hallo.« Sein einziges Wort war nichtssagend. Es verriet weder seine Stimmung, sein Befinden noch seinen Aufenthaltsort. Es klang nicht einmal wie eine Begrüßung.
»Wo stecken Sie? Warum sind Sie nicht gleich drangegangen?«, fragte Tyrell herausfordernd.
»Was wollen Sie?«, antwortete der Profi mit einer Gegenfrage.
»Ich will wissen, wie weit Sie mit Ihren Aufträgen gekommen sind.«
»Es geht vorwärts.«
»Wann sind Sie endlich fertig?«
»In einer Woche bis zehn Tagen voraussichtlich.«
»Ich wünsche einen schnellstmöglichen Abschluss der Sache, das heißt, in weniger als einer Woche«, versetzte Tyrell schroff. »Ich habe andere Aufträge für Sie. Ich werde das Projekt beschleunigen.«
»Halten Sie das für ein sinnvolles Risiko?«
»Machen Sie sich keine Sorgen, dass man Sie schnappt?« Tyrell gefiel seine verächtliche Replik.
»Ich finde,
Sie
hätten allen Grund dazu. Wenn es nämlich hart auf hart kommt, würden weder die Polizei noch Sie mich je finden.«
»Sind Sie sicher? Ihre Glückssträhne scheint beendet zu sein. Sie haben diese Zielperson bereits ein Mal verfehlt. Haben Sie einen zweiten Versuch geschafft?«
»Ja, hab ich. Dieser Mensch ist ein Glückspilz. Ich hatte für einige Probleme mit seinem Flugzeugmotor gesorgt.«
Tyrell fiel ihm ins Wort. »Haben Sie ihn erwischt?« Er wusste die Antwort bereits.
»Nein, ich bin ihm bis zum Flugplatz gefolgt, aber er hat es sich anders überlegt.«
»So? Aber er benutzt die Maschine doch wahrscheinlich wieder?«
»Nein, sein Partner ist damit geflogen und ums Leben gekommen.«
»Gratuliere! Sie haben den Falschen abserviert«, schnaubte Tyrell.
»Macht Ihnen das was aus?«
»Nein«, antwortete der Manager unverblümt. Es machte ihm nur etwas aus, wenn durch den Mord er und sein Projekt aufflogen. »Und Ihnen?«
Der Profi gab keine Antwort.
»Ist er misstrauisch geworden, nach zwei Unfällen so kurz hintereinander? Ich an seiner Stelle würde mich fragen, ob nicht ein dritter bevorsteht.«
»Ja, ich glaube schon.«
»Das erschwert Ihnen die Aufgabe. Und hat er irgendeinen Verdacht, was Pinnacle Investments betrifft?«
»O ja. Nach dem
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