Abgezockt
einziges Verkehrschaos. Eine Lücke zu finden und einzuparken, wollte erst einmal geschafft sein, aber nach einer Viertelstunde stieg Kate aus ihrem Minivan. Sie nahm Abby fest an der Hand und eilte bei der erstbesten Gelegenheit ins Innere des Komplexes.
Kate suchte aus vielen Gründen das Getümmel und Gewimmel des Einkaufsmarkts. Der Betrieb und die klassische Flötenmusik waren eine willkommene Abwechslung von ihren bedrückenden Gedanken. Abby verstärkte noch diesen Effekt. Die Wünsche des Mädchens und seine Unbekümmertheit lenkten Kate ab. Ohne diese Zerstreuung waren ihre Gedanken voll und ganz von Josh eingenommen. Das Zusammenleben mit ihm wurde immer schwieriger. Sie liebte ihn, konnte aber einfach nicht die ständigen Schläge verkraften, die ihnen das Schicksal zumutete. Zwei Mordversuche, Mark Keegans Unfalltod, die Polizei, geheimnisvolle Männer, ein Enthüllungsbericht im Fernsehen und diese Lügen waren zu viel – besonders die Lügen. Josh hatte sie hintergangen. Er behauptete, sein Verhalten habe unter den damaligen Umständen nur zu ihrem Besten gedient, aber das machte die Sache auch nicht leichter. Wenn er gelogen hatte, was das Schmiergeld betraf, was mochte er dann noch verheimlichen?
Abby hüpfte herum und drohte auszureißen. Nur der feste Griff ihrer Mutter hielt sie im Zaum. »Wo wollen wir denn hin, Mom?«
Kate schaute in das strahlende Gesicht ihrer kleinen Tochter und lächelte sie an. »Wo
du
hinwillst, Schatz.«
Abby führte ihre Mutter durch eine bunte Vielfalt von Geschäften, und Kate gab jeder von Abbys Launen nach. Sie ließ sie mit Spielsachen hantieren und Kleider anprobieren. Die Energie ihrer Tochter tat ihr gut. Es fiel ihr mit jeder Minute leichter, zu lächeln, zu lachen und sich einfach zu freuen.
Umgeben von der Ausbeute ihres Einkaufsbummels, setzten sie sich in den Bistrobereich. Obwohl die meisten Tüten für Abby waren, animierte es auch Kate, ihr Geld auszugeben.
Abby hatte einen Hotdog und Milchshake bestellt, Kate nur ein Muffin und einen Caffè Latte.
»Glaub ja nicht, du kannst jeden Tag so leben«, stellte sie klar. »Heute ist eine Ausnahme, verstanden?«
»Ausnahme? Wieso?«, fragte Abby kauend.
»Man spricht nicht mit vollem Mund. Und ich hoffe, du sagst Wiener nichts davon, was du hier futterst.«
Abby schüttelte den Kopf und schluckte.
Kate lächelte. »Heute ist eine Ausnahme, weil wir schon länger nicht mehr so einen Tag zusammen hatten. Ich fand, es war wieder einmal Zeit. Nun, gefällt es dir?«
Abby strahlte. »Und wie, Mom!«
»Ich dachte, wir könnten eventuell ins Kino, aber du darfst vorher auch noch mal in einen Laden. Also, was soll es sein?« Kate legte ihren Kopf schief.
»In den Disney Store«, antwortete Abby ohne jedes Zögern.
Kate deutete mit einem Kopfnicken auf Abbys Essen. »Bist du damit fertig?«
Das Kind saugte noch einmal an dem Strohhalm des Milchshakes. »So! Jetzt!«
Kate konnte nicht anders als lachen, und Abby stimmte mit ein. »Dann los!«, sagte Kate.
Sie warf Abbys Essensreste in den Abfall, nahm aber ihren Kaffee mit. Abby lief schon in Richtung der Rolltreppe, die sie zum Disney Store in der oberen Etage bringen sollte. Kate befahl ihr, langsamer zu machen, und das Kind gehorchte widerstrebend.
Auf halbem Weg zerplatzte Kates gute Laune mit einem Schlag: Sie entdeckte in der oberen Etage auf der Rolltreppe einen Kopf.
Je höher sie fuhren, desto mehr konnte Kate von der Person sehen, die sie erwartete. Belinda Wong schien aus dem Boden hochzuwachsen. Kate machte kehrt, um gegen die Fahrtrichtung hinunterzugehen, aber es waren Leute hinter ihr auf der Treppe. Mit dieser Frau zu reden, das brauchte sie nun wirklich als Allerletztes, doch die Rolltreppe brachte Kate unaufhaltsam der Person näher, die ihren Mann erpresste.
Als Kate mit Abby die Rolltreppe verließ, lächelte Belinda verschlagen. Die Kälte in ihren dunklen Augen besaß etwas Zerstörerisches.
Kate war sicher, der mörderische Wille richtete sich auch gegen ihre Tochter. Mit ihren vielen Einkaufstüten und dem Kind war sie Belinda nicht gewachsen. Ihr drehte sich regelrecht der Magen um. Ihr Griff um den Kaffeebecher wurde schwächer, und fast wäre er ihr aus den Fingern gerutscht.
»Kate. Abby. Ich habe Sie dort unten gesehen und dachte mir, ich sag mal hallo.« Belinda hörte sich aalglatt an.
»Hallo, Bell«, rief Abby.
»Guten Tag, Belinda«, echote Kate.
Sie blieb nicht stehen, sondern marschierte auf den Disney Store
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