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Abgründe der Macht - Roman über einen Sachsenkönig

Abgründe der Macht - Roman über einen Sachsenkönig

Titel: Abgründe der Macht - Roman über einen Sachsenkönig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Gordian
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starrend, „dass sie nicht zu gehorchen gelernt haben. Nicht nur die Herzöge, nicht nur die Grafen … in diesem Reich ohne Zucht und Ordnung glaubt immer noch jeder kleine Edeling, er könne Krieg auf eigene Faust führen. Eine giftige Pflanze ist dieser Eigensinn, die man ausrotten muss!“, schrie er plötzlich. „Glück hatte er, der verdammte Ekkehard, Gott war ihm gnädig, er hat ein Grab im Sumpf, ist in Ehren ersoffen. Hätte ich es gewusst und ihn vorher erwischt – er hätte gehangen!“
    Hermann Billung erwiderte nichts. Er kannte solche Zornesausbrüche seines Freundes, des Königs, der mit gerötetem Gesicht die Bewegung des Henkers beim Zuziehen einer Schlinge machte.
    Sie schwiegen ein paar Atemzüge lang und Otto, der sich schnell beruhigte, fragte dann: „Hast du noch mehr so schöne Nachrichten?“
    „Eine habe ich noch“, sagte Hermann. „Ein verspäteter Haufen aus dem Hassegau ist eingetroffen. Von denen erfuhr ich, dass es schlecht steht um Markgraf Siegfried. Er liegt im Sterben.“
    „Das fehlte gerade“, bemerkte Otto. „Dann werden die Raben, meine geliebten Brüder, schon an der Beute zerren.“
    „Und auf der Merseburg wird Unordnung herrschen“, ergänzte Hermann. „Und unsere östliche Flanke ist offen. Sorben, Daleminzier, Magyaren …“
    „Ich werde darüber nachdenken“, sagte der König gedehnt, seinen großen, schweren Kopf hin und her wiegend, „wie ich den Raben die Beute entreißen kann.“

|33| 4
    Auf den Hof der Merseburg rollte ein Wagen mit Planverdeck. Der Kutscher im Bauernkittel sprang ab und hängte dem Pferd, einer alten, müden Stute, den Futtersack um. Aus der Pforte, die in die unteren Räume des Herrenhauses führte, trat eine junge Frau im dunklen Gewand einer adeligen Stiftsdame. Sie hielt einen achtjährigen Knaben an der Hand, der freudig hüpfte, sich losriss, auf das Pferd zustürmte und ihm den Hals und die Flanken klopfte.
    „Sei vorsichtig, Wilhelm!“, rief die junge Frau. „Pass auf, dass es dir nichts tut.“
    „Darum muss sich Herrin nicht sorgen“, sagte der Kutscher, indem er die tiefen Furchen seines Gesichts zu einem freundlichen Lächeln verzog. „Pferd ist friedlich, hat keine Kraft mehr. Wird seine letzte Fahrt sein.“
    „Es wird hoffentlich nicht unterwegs eingehen und uns irgendwo in der Wildnis im Stich lassen!“, rief ein hagerer Geistlicher, der nach der jungen Frau aus der Pforte getreten war und ihr, einen Reisesack schleppend, mit kurzen Schritten folgte.
    „Bist du Sorbe oder Heveller?“, fragte die Stiftsdame den alten Bauern in wendischem Idiom.
    „Daleminzier, Herrin, von Gana.“
    „Gefangener König Heinrichs?“
    „Hatte Glück, bin am Leben geblieben.“
    „Auch ich hatte …“, sagte sie, unterbrach sich und fuhr, sich bekreuzigend, rasch fort: „Der Herr hat es so gerichtet, dem Herrn sei Dank.“
    Der Pater, der das kurze Gespräch in wendischer Sprache verstanden hatte, blickte den Bauern misstrauisch an und fragte: „Du sollst uns hinbringen? Wirst du es schaffen bis Fulda?“
    „Soll nur fahren bis Tilleda, dann zurück.“
    „Das wird ja eine Vergnügungsreise!“, ereiferte sich der Geistliche. „In Tilleda wird man uns warten lassen, bis es einem hohen Herrn einfällt, von dort nach Fulda zu reisen und uns gnädig Platz in seinem Wagen einzuräumen. Am Ende müssen wir in Tilleda überwintern!“
    „Werdet Ihr Euch um seine Gesundheit sorgen?“, fragte die Stiftsdame. „Werdet Ihr ihn immer im Auge behalten?“
    Der Pater verstaute den Reisesack auf dem Wagen.
    |34| „Ich werde tun, was in meinen Kräften steht“, antwortete er ein wenig beleidigt, weil er die Fragen als Zweifel an seiner Zuverlässigkeit auffasste. „Ich habe Erfahrung als Erzieher vornehmer Knaben. So ein junger Wildfang ist nicht leicht zu zähmen, aber ich bin noch mit jedem fertig geworden. Mit dem da, unserem kleinen Wilhelm, wird es sicher besonders schwer. Deshalb hat Bischof Bernhard mir eigenhändig geschrieben, dass ich herkommen und ihn abholen solle. Weil nur ich als sein Erzieher in Frage komme. Natürlich beginne ich gleich mit dem Unterricht, schon unterwegs im Wagen.“
    „Warum glaubt Ihr, dass es mit ihm besonders schwer sein wird?“, fragte die Stiftsdame.
    „Weil er in Quedlinburg zu lange nur unter Frauen aufwuchs, die zu nachsichtig waren. Es wäre besser gewesen, ihn schon zwei Jahre früher in unsere Hände zu geben. Und leider hat man ihm auch gesagt, wer er ist.“
    „Sollte man

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