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Abgründe der Macht - Roman über einen Sachsenkönig

Abgründe der Macht - Roman über einen Sachsenkönig

Titel: Abgründe der Macht - Roman über einen Sachsenkönig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Gordian
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König. Indem er die Hände auf dem Rücken verschränkte, begann er mit kurzen Schritten um seinen alten Verwandten herumzugehen. Wichmann suchte der Bewegung zu folgen, drehte sich trippelnd, sein Vogelkopf ruckte vor und zurück.
    „Aber du wirst dich damit abfinden müssen“, fuhr Otto fort. „Seit gestern ist dein Bruder Hermann mein
princeps militiae
für alle Gaue an der unteren Elbe, der oberste Heerführer gegen Dänen, Abodriten, Liutizer. Er ist damit allen Grafen des nördlichen Sachsenlands vorgesetzt – auch dir!“
    „Aber … aber dann ist er ja fast so viel wie ein Herzog! Das ist doch … das ist ein Scherz …“
    „Ich scherze nicht, Onkel Wichmann!“, sagte Otto schneidend. „Und was dich betrifft … du solltest stolz darauf sein, dass es dein Bruder Hermann war, der die Redarier so glänzend besiegt und uns damit an den Wenden gerächt hat – für die Niederlage der Mesaburier. Dass er sich damit den hohen Posten verdient hat. Eine Ehre ist das für die ganze Familie der Billunger!“
    „Die Redarier hätte ich auch besiegt!“, ereiferte sich der Kahlkopf. „Viel besser und vollständiger! Hermann hat Glück gehabt, dass es gut ging! Dabei hat er nur Fehler gemacht, er griff zu spät an und verfolgte sie nicht und … und überhaupt ist er ein Grünschnabel, macht alles falsch. Ich war unter den Ersten, die vor acht |29| Jahren die Brandenburg stürmten! Bei Gana war ich dabei und bei Lenzen! Wie viele Wendendörfer hab ich dem Erdboden gleich gemacht! Dein Vater schätzte mich hoch. Du aber … du erniedrigst mich. Wofür hältst du mich?“
    „Wofür ich dich halte?“ Otto blieb stehen, griff mit beiden Händen in den Bärenpelz und zog Wichmann zu sich heran. „Für einen alten Hahn, der seine schönsten Federn längst verloren hat. Der nur noch krähen kann, schrill und misstönend. Der hinter meinem Rücken hetzt, der behauptet, ich sei ein bösartiger Gnom, meine Frau ein dummes Schaf, meine Mutter heiliger als der Papst und mein Bruder Heinrich der wahre Thronerbe. So hat man es mir berichtet.“
    „Niederträchtige Schmähung! Verleumdung!“
    „Das wohl nicht. Doch sei versichert, es wäre mir vollkommen gleichgültig, wenn ich dir zutrauen könnte, ein Heer zu führen. Wenn du imstande wärst, den empfindlichsten Teil der Reichsgrenze zu sichern. Wenn ich überzeugt wäre, in dir einen Vollstrecker meines Willens zu finden. Wenn du einer von denen wärst, die mir helfen könnten, die gewaltige Aufgabe anzupacken, die uns die Völker jenseits der Elbe stellen. Dein Bruder Hermann ist der Richtige. Was dich betrifft … du solltest dich ausruhen.“
    „Ah, ausruhen soll ich mich! Willst du mir auch noch den Bardengau nehmen?“
    „Wie kommst du darauf? Was hältst du von mir? Ich sollte so grausam sein, einen alten Hahn von seinem Misthaufen zu vertreiben? Oh nein! Dort können dich die Hühner noch lange bewundern.“
    Der König wandte sich ab, zum Zeichen, dass das Gespräch für ihn beendet sei.
    „Das tust du nur“, sagte Wichmann hartnäckig, „weil ich dich damals, Odda … damals, als dein Lehrer … weil ich dich immer scharf herannahm … dich nicht vorzog als Sohn des Königs. Dein Vater war damit einverstanden, aber du … du kannst mich seitdem nicht leiden … Dabei verdankst du mir alles … alles, was du vom Krieg und vom Waffenhandwerk verstehst … das verdankst du mir … nur mir …“ Plötzlich trat er mit ein paar taumelnden Schritten beiseite. „Aber was ist das? Ich sehe nichts mehr, mir wird schwarz vor Augen … Das Bier … es war nicht mehr gut …“
    Er machte zwei schwankende Schritte und ging plötzlich in die Knie. Gunzelin sprang hinzu, hielt ihn aufrecht. Der Kahlkopf war auf die Brust gesunken.
    |30| „Graf Wichmann hat anscheinend einen Schwächeanfall“, sagte König Otto. „Zwei Dinge verträgt er nicht: unser Bier und die Wahrheit. Bring ihn zu seinen Leuten, Gunzelin. Und schick ihm den Medicus.“
    Er fasste zu, als sich der herkulische Wächter den stöhnenden Alten wie einen Sack auf den Rücken lud.
    „Hoffentlich hast du es nun begriffen“, murmelte Otto, nachdem Gunzelin mit seiner Last das Zelt verlassen hatte. Er nahm die Bierkanne, trank sie leer, warf sie weg und nach seiner Gewohnheit, Gespräche fortzusetzen, auch wenn niemand mehr anwesend war, ging er, die Hände auf dem Rücken verschränkt, in dem engen Raum auf und ab.
    „Dankbarkeit forderst du, Onkel Wichmann? Was verdanke ich dir denn schon? Was

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