Abgründe der Macht - Roman über einen Sachsenkönig
die Bestrebungen König Ottos unserer heiligen Kirche schaden … ganz besonders aber dem Erzbistum Mainz, dem größten und wichtigsten im Ostfränkischen Reich, für das ich die Verantwortung trage. Dieses Kloster in Magdeburg … gewisse Äußerungen, die er gegenüber Bischof Bernhard getan hat … das alles macht mich misstrauisch, es könnte zu unseren Ungunsten ausgehen. Was wäre es für ein Verlust, wenn er unsere riesigen Güter in Sachsen und Thüringen einzöge, um seine ehrgeizigen Pläne zu verwirklichen! Welche Pläne? Ich kenne sie nicht, ich ahne sie aber … So hätte ich nichts dagegen gehabt, wenn Euer kühnes Unternehmen erfolgreich gewesen wäre. Auch den Heiligen Vater in Rom, den ich als päpstlicher Vikar vertrete, hättet Ihr an Eurer Seite gehabt. Wahrhaftig, unsere Kirche und wir, ihre Diener, hätten es vorgezogen, zu unserem Schirm und Schutz |158| nicht einen jungen Brausewind wie Otto, sondern einen gesetzten, erfahrenen Mann wie Euch zu haben. Doch Gott der Herr hat anders entschieden! Vielleicht will er uns prüfen oder für unsere Sünden strafen. Nehmen wir es in Demut hin, Herzog. Seht es ein und gebt auf. Was mich betrifft, so verbarg ich meine wahre Gesinnung und blieb äußerlich immer königstreu. Und so ist es von höchster Bedeutung, dass ich nicht noch nachträglich in diese Geschichte hineingezogen werde. Das ist sehr wichtig, Herzog, sehr wichtig!“
„Ah, Ihr wollt Euern Kopf aus der Schlinge ziehen, den meinen aber hineinstecken!“
„Versteht doch! Nur so kann ich Euch noch helfen. Ich wäre doch machtlos, stünde ich selbst unter Anklage. Und im Vertrauen … das Spiel geht ja weiter. Der älteste Sohn König Heinrichs ist raus, auch Ihr seid so gut wie geschlagen … aber da stehen noch andere Steine auf dem Brett, sehr stark, sehr beweglich … Herzog Eberhard von Bayern, Herzog Giselbert von Lothringen und – merkt auf – der neue junge König der Westfranken, Ludwig. Wenn alle drei mit den richtigen Spielzügen zusammenwirken, könnte Otto trotz seiner Erfolge bald geschlagen sein und dann … dann kämet vielleicht sogar Ihr noch einmal ins Spiel. Freilich müsstet Ihr dazu am Leben bleiben und Euch nicht uneinsichtig, sturköpfig hinopfern …“
Der Erzbischof schwieg. Mit seinem scharfen, kalten Blick beobachtete er den Herzog, dessen müdes, schlaffes Gesicht nur über wenige Ausdrucksmittel verfügte und keiner Verstellung fähig war. Jetzt konnte man darin abwechselnd Trotz, Angst und Hoffnung lesen.
„Was schlagt Ihr vor?“, fragte Eberhard schließlich dumpf.
„Wie ich Euch schon sagte, will ich Heinrich bei meiner Abreise mitnehmen und mich mit ihm zu König Otto begeben. Dort werde ich in Eurer Sache als Fürsprecher auftreten. Doch ich bin noch nicht lange im Amt und weiß nicht, ob mein Wort schon als Gegengewicht genügt – für das, was man Euch anlasten wird. Bedenkt auch, dass die Königinmutter einen alten Groll gegen Euch hegt, der nun, nachdem Ihr Euch mit roher Gewalt ihres Lieblings bemächtigt habt, zu frischem Zorn aufflammen wird. Sie hat noch Einfluss auf Otto, wenn auch, wie man hört, abnehmend. Sie wird eine harte Bestrafung verlangen und er könnte ihr willfahren … denn was liegt ihm an Euch? Ihr seid ein Wortbrüchiger |159| für ihn, ein Störer des Friedens. Kurz, Eure Sache stünde schlecht, wenn Ihr nur einen einzigen Fürsprecher hättet – mich. Ihr braucht einen zweiten.“
„Und an wen denkt Ihr dabei?“
„An Heinrich.“
Der Herzog war von dieser neuen Wendung so betroffen, dass er zu atmen vergaß und plötzlich von einem Hustenanfall gepackt wurde. Friedrich wartete gelassen.
„Unmöglich“, krächzte der Herzog, „unmöglich!“
„Es wird notwendig sein.“
„Nein, nein … wie sollte ich ihn dazu bringen?“
„Wenn Ihr es nicht zu ungeschickt anstellt …“
„Soll ich bitten und flehen? Mich vor ihm erniedrigen?“
„Vielleicht auch das. Doch nur im äußersten Falle. Mir scheint, der junge Königssohn ist sehr ungefestigt und sprunghaft in seinem Verhalten. Er könnte sich Euch gegenüber dankbar zeigen.“
„Dankbar? Für die Ketten und Stricke, die ich ihm anlegen ließ?“
„Ja, auch dafür. Falls Ihr ihm weismachen könnt, dass es zu seiner Rettung geschah.“
„Wie? Zu seiner Rettung?“
Der Erzbischof lächelte wieder und neigte sich Eberhard zu, seine Worte wählend, als spräche er zu einem begriffsstutzigen Knaben, langsam und deutlich.
„Thankmar und Heinrich
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