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Abgründe der Macht - Roman über einen Sachsenkönig

Abgründe der Macht - Roman über einen Sachsenkönig

Titel: Abgründe der Macht - Roman über einen Sachsenkönig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Gordian
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eine
deditio
. Ihr fallt vor mir auf die Knie, bekennt Eure Schuld und ersucht mich flehentlich um Verzeihung. Seid Ihr dazu bereit?“
    Herzog Eberhard, der nun begriff, dass ihm das Schlimmste, was dieser Jüngling von ihm verlangen konnte, nicht erspart bleiben würde, seufzte und stammelte: „Ihr wollt, dass ich hier vor Euch …“
    „Doch nicht hier!“, erwiderte Heinrich lächelnd. „Was hätte das schon für eine Wirkung! Selbstverständlich werdet Ihr Euch öffentlich vor mir niederwerfen – vor Zeugen. Vor dem Erzbischof Friedrich, dem Burgherrn Goderam und allen, die in Euerm Gefolge, das uns begleitet hat, höhere Ränge einnehmen. Eine Burgherrin gibt es wohl hier auch … vielleicht Töchter? Ich lege Wert |164| auf ihre Anwesenheit bei der Zeremonie. Unter weiblichen Blicken wird eine Unterwerfung aufrichtiger.“
    „Habt ihr noch weitere Anordnungen zu treffen?“, stieß der Herzog mit bitterer Miene hervor.
    „Ich verlange nicht, dass Ihr ein Büßerhemd tragt. Es genügt eine einfache lange Tunika, nicht gegürtet natürlich. Und selbstverständlich keinen Schmuck, keine Waffen! Ach ja … Und Ihr werdet Euch mir barfuß nähern.“
    „Barfuß?“
    „Barfuß … zum Zeichen Eurer Demut und Reue. Das ist schon alles. Das ist die erste Bedingung.“
    Einen Augenblick lang kam Herzog Eberhard der Gedanke, er könnte diesem anmaßenden, bösartigen Liudolfingerspross noch immer das Maul stopfen. Er könnte ihn in einen lichtlosen Kerker werfen. Er könnte ihn hungern und dürsten lassen. Er könnte den Schönling an seinen Locken aufhängen, ihm die Ohren abschneiden und ihm die Zähne ausschlagen lassen. Er könnte ihn in den Verschlag zu den beiden Bären sperren, die Goderam gefangen hatte. Hätte er nur die Kraft, sich dem eigenen Untergang nicht zu widersetzen, dem Ende nach einem langen, über fünfzigjährigen Leben mutig entgegenzusehen.
    Doch er hatte nicht den Mut und die Kraft und starrte wie gelähmt in dieses Jünglingsgesicht mit den von langen Wimpern beschatteten blauen Augen, der vom Geringel der Löckchen umrahmten Stirn, der feinen Nase, den weißen, regelmäßigen Zähnen, den vollen, anmutig geschürzten Lippen – dieses Gesicht, das sich ihm jetzt näherte, mit dem gespannten, immer noch ein wenig spöttischen Blick, der sich durchdringend in den seinen versenkte, während er gleichzeitig auf seiner Schulter die Hand spürte, die überraschend Vertraulichkeit anbot.
    „Und nun die zweite Bedingung. Wollt Ihr sie hören?“
    „Redet!“, sagte Herzog Eberhard.
    „Ihr seid alt, ich bin jung. Ihr seid Franke, ich bin Sachse. Ihr seid Herzog, ich bin der purpurgeborene Sohn eines Königs. Das unterscheidet uns. Doch wir haben etwas, das uns eint: Wir leiden an Odda. Wir hassen Odda. Wir wünschen Odda zu allen Teufeln! Ist das so?“
    „Was sagt Ihr da?“, grummelte Eberhard ratlos. „Ihr erwartet doch nicht, dass ich jetzt … in meiner Lage … ein solches Bekenntnis gegen den König …“
    |165| „Ganz ruhig, Herzog, ganz ruhig. Diese zweite Bedingung ist nur ein Abkommen zwischen uns beiden, unter vier Augen, ohne Zeugen. Es wird ein tiefes Geheimnis bleiben! Ihr hattet Euch mit einem Bruder des Königs verschworen – es war der falsche. Es war der unechte, der Bastard. Er war nicht einmal in einer gültigen Ehe gezeugt. So musste das Unternehmen misslingen. Er verdarb es, denn er hatte nicht das Heil eines Herrschers und der Himmel war gegen ihn. Doch für Euch ist es nicht zu spät – wenn Ihr erkennt, wer der wahre Heilsträger ist … wenn Ihr Euch dem echten Bruder des Königs unterwerft. Wenn Ihr Euch ihm anschließt und mit ihm dafür kämpft, dass er erhält, was ihm zusteht: die Krone des Reiches. Wenn ihr mit ihm dafür sorgt, dass sie Odda entrissen wird!“
    „Wie? Was höre ich?“, sagte Eberhard mit ungläubiger Miene. „Ihr wollt Euch auflehnen? Auch Ihr? So jung, wie Ihr seid? Siebzehn Jahre alt?“
    „Worauf soll ich warten? Er ist nicht bereit, die Macht zu teilen, wird niemals dazu bereit sein. Aber nach altem Brauch, wie ihn bisher alle Könige übten, hat jeder Sohn eines Königs mindestens Anspruch auf einen Teil des Reiches. Ich habe nichts erhalten – und er will mich nicht einmal zum Herzog von Sachsen machen. Soll ich das hinnehmen? Soll ich zum Kummer meiner armen Mutter, die mich in der Königshalle zur Welt brachte, nichtsnutzig auf den baufälligen Burgen sitzen, die Odda mir gnädig ließ? Da er alles an sich gerissen hat und

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