Abgründe der Macht - Roman über einen Sachsenkönig
den Strick gebot.
Als die vier bereits hingen, kam starker Wind auf, ein Unwetter kündigte sich an. Die Gehenkten schwangen hin und her und stießen einander an wie Betrunkene. Die Sieger amüsierte das und sie riefen Schmähungen zu ihnen hinauf.
Bei denen, die unten standen, tranken, lachten und grölten, befand sich auch Maincia.
Der König hatte ihn sich vorführen lassen und war so wutschäumend über ihn hergefallen, dass unter den Zuhörern niemand zweifelte, auch der Rächer mit dem Narbengesicht, der Meuchelmörder des Thankmar werde an der Eiche enden. Dann aber hatte Otto befohlen, ihm die Fesseln zu lösen, und erklärt, er werde einem Urteil nicht vorgreifen, das nur seinem jüngeren Bruder, dem Gefolgsherrn des Maincia, zustehe. Heinrich schmachte in der Gefangenschaft des Frankenherzogs. Jeder Mann werde gebraucht, |153| um seine Befreiung zu erwirken. Die sächsischen Edelinge Uhtrad und Hugwald wurden ebenfalls begnadigt.
So endete dieser Tag eines Sieges fast ohne Kampf. Der fürchterliche Gewittersturm, der am Abend mit mehreren Blitzeinschlägen über der Eresburg wütete, trübte hingegen die Freude und versetzte auch die Sieger in tödlichen Schrecken. Er schien anzukündigen, was bevorstand.
|154| Dritter Teil
23
„Es ist alles vorbei, es ist alles entschieden!“, rief der Erzbischof Friedrich, wobei er die Hände ringend, in der kleinen Halle der Vorburg des fränkischen Adeligen Goderam auf und ab lief. „Thankmar ist tot, der Aufstand ist zusammengebrochen. Es gibt keine Hoffnung mehr – Ihr müsst aufgeben!“
„Ist das alles, was Ihr mir ratet?“
„Es ist der Rat eines Freundes. Nehmt ihn an. Unterwerft Euch dem König!“
Der Erzbischof blieb vor dem finster blickenden Herzog Eberhard stehen, der mit zerraufter Silbermähne, die Ellbogen aufgestützt, das Kinn auf die Fäuste gelehnt, an dem roh gezimmerten Tisch hockte. Hirschgeweihe und Hörner von Auerochsen, an denen Kleidungsstücke und Waffen hingen, zierten die Wand hinter ihm.
„Nun? Nun?“, drängte Friedrich.
„Das muss gründlich bedacht werden.“
„Gründlich bedacht! Nun, so denkt nur! Aber es gibt nichts mehr zu bedenken.“
Der Erzbischof seufzte und wandte sich ab. Er trat an die offene Tür und blickte hinaus. Ein leichter Regen fiel und unter dem grauen Gewölk bot die Motte, die Erdhügelburg des Goderam, mit ihrem plumpen, vom Wetter geschwärzten, hölzernen Turm in der Mitte und den windschiefen Nebengebäuden, einen trostlosen Anblick. Hinter der Vorburg, dem Palisadenzaun und dem Wassergraben waren Zelte auf einer Wiese verstreut, zwischen denen sich Männer und Pferde bewegten.
„Wie habt Ihr überhaupt hierher gefunden?“, fragte der Herzog nach einer Weile.
„Das war nicht schwierig“, erwiderte der Erzbischof, ohne sich umzudrehen. „In Eurer Burg Laer wissen ja viele, wo Ihr seid. Auch der Priester der Burgkapelle wusste es. Er gelangte mit denen hinaus, die Euch um Entsatz bitten sollten. Er brachte mir die traurigen Nachrichten und führte mich her.“
|155| „Den Entsatz konnte ich ihnen nicht schicken“, sagte Eberhard, der den Worten Friedrichs einen Vorwurf entnahm. „Das war mir gleich klar, als ich hörte, wie stark die Belagerer waren. Sollte ich meine Männer sinnlos opfern?“
„Jedenfalls hat der König inzwischen auch Laer. Und er weiß natürlich längst, dass Ihr Euch hier versteckt habt.“
„Das glaube ich nicht.“
„Denkt Ihr, dass sich Eure Leute, nun seine Gefangenen, für ihren Herzog noch foltern lassen und schweigen? Nachdem sie erst heldenhaft Eure Burg verteidigt und dann von Euch so wenig heldenhaft allein gelassen wurden?“
„Ihr habt kein Recht, solche Reden zu führen!“, fuhr Eberhard auf. „Es waren widrige Umstände, die alles verdorben … die mich in diese Lage gebracht haben. Dabei war alles glänzend vorbereitet.“
„Glänzend?“, wiederholte der Erzbischof und ließ ein spöttisches, gurrendes Lachen hören.
„Anfangs ging ja auch alles gut!“, fuhr der Herzog halsstarrig fort. „Der König war unterwegs nach Bayern. Wir griffen Belecke an und nahmen es ein. Wir hatten Heinrich und seine Schätze. Dann fiel die Eresburg …“
Der Erzbischof öffnete die Fibel am Hals, hängte seinen Mantel an eines der Geweihe und setzte sich zu Eberhard an den Tisch. Er strich Schweißperlen von seiner Glatze, legte die Stirn in Falten und starrte den Herzog durchdringend an.
„Nur widrige Umstände also …“
„Ich ahnte
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