Abgründe der Macht - Roman über einen Sachsenkönig
hassten sich. Beide wollten die Merseburg haben, die dann Gero zu Lehen bekam. Ich selbst war einmal – damals noch Chorherr in Hildesheim – auf dieser Burg Zeuge, wie sie sich wüst beschimpften und beinahe tätlich geworden wären. Nur die Gegenwart Frau Mathildes hielt sie zurück. Wenn sich nun Eure Leute an Thankmars Überfall auf Belecke beteiligt hätten, um ihn vor dem Hass seines Stiefbruders zu schützen, der ihn ermorden wollte? Um ihn auf Euren Burgen in Sicherheit zu bringen – vor diesem unberechenbaren Neider und Übelnehmer? Nun? Wie findet Ihr das? Versucht es damit, vielleicht habt Ihr Erfolg. Der beste Beweis für Eure Glaubwürdigkeit ist die unbestreitbare Tatsache, dass Ihr Thankmar in seiner Bedrängnis nicht geholfen habt. Dass Ihr ihn untergehen ließet, ohne eine Hand zu rühren. Weiß Heinrich eigentlich, was nach seiner Gefangennahme geschah? Weiß er, dass sein Stiefbruder tot ist?“
„Er weiß es noch nicht.“
|160| „Umso besser! Dann steigt jetzt zu ihm hinauf und bringt ihm die erfreuliche Nachricht. Sagt ihm, dass Ihr ihm seine Freiheit zurückgeben könnt, weil ihm keine Gefahr mehr droht.“
24
Das schrille Gelächter, das von der Höhe des schwarzen Turms schallte, wurde sogar noch jenseits des Burggrabens vernommen. Einige Männer, die dort bei ihren Zelten standen, hoben die Köpfe. Von einem Baum in der Nähe des Turms flogen erschrockene Vögel auf.
„Also retten wolltet Ihr mich, retten!“, schrie Heinrich, wobei er von seinem Lager aufsprang. „Überfallen, gefesselt, geknebelt, gefoltert … so wird man von Euch gerettet. Ich danke Euch, Herzog. Innigsten Dank, mein Kerkermeister!“
In der offenen Luke erschien der Kopf eines Wächters. Herzog Eberhard machte eine scheuchende Bewegung, damit der Mann sich zurückzog, und warf die Falltür zu.
„Wozu ereifert Ihr Euch?“, sagte er. „Ich bin Euch wohlgesinnt und bringe Euch gute Nachrichten. Und warum lügt Ihr? Wer hat Euch gefoltert? Natürlich wurdet Ihr nicht nur auf Daunen gebettet, denn das hattet Ihr nicht verdient, weiß Gott nicht! Wie habt Ihr mit Bruning und den anderen sächsischen Schuften in meinen Grafschaften gewütet! Trotzdem nahm ich mich Eurer an und es geht Euch hier nicht schlecht, wie man sieht. Und jetzt, da die Gefahr, die Euch drohte, vorüber ist, bin ich sogar bereit Euch gehen zu lassen.“
„Ihr seid ein dreister Lügner, Herzog, und ich weiß längst, wie es um Euch steht“, erwiderte der Siebzehnjährige. „Ich weiß alles!“
Der niedrige Raum unter dem Dach des Turmes war für den hochgestellten Gefangenen mit einigen Bequemlichkeiten versehen worden. Unter dem einzigen schmalen Fenster standen ein Hocker und ein Tisch mit Resten einer Mahlzeit, zu der neben dem üblichen Gerstenbrei auch Fleisch und Obst gehört hatten. Es gab ein Weinfässchen, ein Spielbrett und einen Würfelbecher zur Unterhaltung. In der Truhe mit aufgeklapptem Deckel lagen Kleidung und Wäsche. Ein hölzerner Bottich mit Eisenbeschlägen enthielt Wasser. Ein Leuchter, Becher und Krüge standen herum. Die Strohmatte |161| verschwand sogar unter einer seidenen Decke, von der, als Herzog Eberhard die Leiter erstiegen und die Kammer betreten hatte, mit einem erschrockenen Aufschrei ein Mädchen von Goderams Dienerschaft aufgesprungen und, ihr Hemd überwerfend, an ihm vorüber gehuscht und hinab geflohen war.
„Ich weiß alles!“, wiederholte Heinrich mit einem spöttischen Lächeln. „Eure Leute sind schwatzhaft und Eure Neuigkeiten sind ranzig. Das war ein schlechtes Gespann – Ihr und Tammo, ein altes und ein lahmes Pferd. Dazu der störrische Esel Wichmann. So konnte der Karren ja nicht voran kommen und blieb im Sumpf stecken. Ihr guckt jetzt gerade noch mit der Nasenspitze heraus und wenn ich Euch nicht an Euerm silbernen Haarschmuck ergreife und herausziehe, geht es endgültig abwärts. Habe ich Recht?“
„Was soll das Gerede? Ich stehe mit beiden Füßen auf festem Boden!“, erwiderte der Herzog unwirsch.
„Also gut, auf festem Boden und mit den Füßen … doch Euer Kopf … er wackelt bedenklich! Erinnert Ihr Euch? Ich liebte diese Geschichte, die meine Mutter mir oft erzählt hat – vom Herzog Erchanger von Schwaben, der sich gegen den König Konrad erhob und dafür enthauptet wurde. Das war sicher sehr kurzweilig, Ihr müsst dabei gewesen sein. Herzog Erchanger war der Schwager des Königs – und der König war Euer Bruder. Schade um Erchanger! Aber er hatte sein Schicksal
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