Abgründe (German Edition)
Wohnzimmertisch und er tat es ihr gleich. Auf den Automagazinen standen Kaffeetassen, daneben lagen die letzten fünf oder sechs Ausgaben der Tageszeitung. Wenigstens rauchte er nicht. Und versteckte seine Playboy-Magazine seit Haleys Einzug im Schlafzimmer.
»Ava hatte früher mal Ärger mit dem Geschäftsführer. Damals war das noch Charlie Sutherland, der ist aber mittlerweile im Ruhestand. Es hat Geld in der Kasse gefehlt und allem Anschein nach hat sie es gestohlen.«
»Allem Anschein nach?«
»Detective!« Sie sah auf und ihre braunen Augen blitzten. »Ich gucke weder durch Schlüssellöcher, noch lausche ich an Türen. Ich kann Ihnen nur sagen, dass am einen Tag Geld in der Kasse gefehlt hat und Ava am nächsten Tag weinend aus Sutherlands Büro gelaufen kam. Als ich sie gefragt habe, was passiert ist, sagte sie nur, sie habe Mist gebaut .«
»Halten Sie Charlie Sutherland prinzipiell für fähig, Ihrer Kollegin etwas angetan zu haben?«
Evangeline lachte kurz. »Charlie? Nein, niemals. Der tut keiner Fliege was zuleide, und das meine ich wörtlich.«
Ethan lehnte sich zurück und dachte über das Gehörte nach. Ava Draper sollte also eine Diebin gewesen sein.
»War das eben Ihr Sohn?«, wollte Evangeline wissen und Ethan sah auf.
»Ja. Haley.«
»Oh, das überrascht mich. Ich hatte Sie eher für einen Aufreißer gehalten als für einen Familienvater.«
Evangelines Offenheit wiederum überraschte ihn . »Haleys Mutter ist verstorben.«
Evangeline errötete. »Oh nein, das hätte ich ahnen müssen!« Sie schlug die schmalen Hände vors Gesicht und Ethan bemerkte ihre signalrot lackierten Fingernägel. »Der Detective mit dem dramatischen Schicksal.«
»Nein, der bin ich nicht«, erwiderte er. »Ich habe seine Mutter nicht sehr gut gekannt. Vermutlich bin ich eher der… Aufreißer, für den Sie mich zuerst hielten.«
Evangeline betrachtete ihn prüfend und er ohrfeigte sich innerlich selbst. Warum hatte er das sagen müssen? Vielleicht sollte er sich abgewöhnen, in jeder Situation unbedingt seine harte Schale wahren zu wollen.
»Nein, wirklich. Wir waren noch auf der High School, als sie von mir schwanger geworden ist. Sie hat Haley allein groß gezogen und als sie dann vor fünf Jahren starb, kam er zu mir.«
»War sie krank?«
Ethan lachte humorlos. »Nein, sie war sturzbetrunken und ist mit einer Zigarette in der Hand eingeschlafen. Das Haus hat gebrannt. Die Feuerwehr fand Haley bewusstlos in seinem Zimmer im oberen Stock.«
»Der arme Junge.«
Ethan nickte. »Aber er hat es ganz gut verkraftet. Er hat schnell Freunde gefunden.«
»Freunde gefunden? Hat er mit seiner Mutter nicht hier gelebt?«
»Nein. Sie stammte, genau wie ich, aus Detroit.« Ethan erzählte ihr, dass er erst vor einigen Jahren nach Virginia Beach gezogen war, aber weiter ging er auf das Thema nicht ein. Es gab Gründe dafür, dass er mehr als siebenhundert Meilen zwischen sich und seine Vergangenheit in Michigan gebracht hatte. Er war froh, dass Evangeline nicht weiter nachfragte, doch er fühlte, dass ihre Haltung nicht mehr ganz so feindselig war, obwohl er sich nicht als treusorgendes Oberhaupt einer perfekten Familie erwiesen hatte.
Als er Evangeline an der Tür verabschiedete, fasste er sich ein Herz und fragte sie, ob sie am nächsten Abend mit ihm Essen gehen wollte.
Sie lachte leise und wirkte für einen Moment fast mädchenhaft schüchtern. Hatte er sie überrumpelt? Sich vielleicht nur eingebildet, dass sie längst gemerkt hatte, wie sie auf ihn wirkte? Er setzte ein charmantes Lächeln auf und hoffte, dass es diesmal Wirkung zeigen würde.
»Gut, also... Holen Sie mich um halb neun am South Easy ab.« Damit ging sie. Evangeline Stark war nicht nur die erste Frau seit langem, die ihn ernsthaft interessierte – sie war auch sein erstes Date, das offensichtlich nichts davon hielt, ihn den Ton angeben zu lassen.
-14-
»Ratet, was ich herausgefunden habe. Kommt schon, ratet! Was habe ich gefunden?« Gladys konnte gar nicht aufhören, zu grinsen. Nachdem Ethan ihr und den anderen von Avas diebischem Geheimnis erzählt hatte, war sie am Montagmorgen in ihrem Tatendrang gar nicht mehr zu bremsen.
»Einen kleinen Hund. Oder was ähnlich Weltbewegendes.« Mason sah Gladys kurz gelangweilt an, dann trank er einen Schluck Kaffee.
»Du bist so ein verdammter Schwachkopf.« Gladys und Mason hatten sich noch nie besonders gemocht. Er gab sich immer absolut unbeeindruckt von ihren Erkenntnissen und sie fand
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