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Abgründe (German Edition)

Abgründe (German Edition)

Titel: Abgründe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nadine d’Arachart
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verkohlte Haut über dem blanken Schädel wieder zusammenzuflicken. Jetzt spannte sie oft und verursachte Schmerzen, die es Madison manchmal sogar unmöglich machten, eine Mütze zum Schutz gegen das aggressive Sonnenlicht zu tragen.
    »Das ist es nich’, Ethan. Ich mach' mir Sorgen wegen diesem Mörder, den ihr jagt.« Sie beugte sich zu ihm herüber. »Wir beide wissen doch, dass es Birch ist.«
    Ethan schluckte und versuchte, den Hauch von paranoidem Wahn in ihrer Stimme zu überhören. Wilbur Birch, der Mann, der sie damals entführt, tagelang festgehalten und zum Schluss bei vollem Bewusstsein in Brand gesteckt hatte, war vor knapp zehn Monaten aus dem Gefängnis freigekommen. Damals, als Madison in seiner Gewalt war, hatte er sich wie ein Monster aufgeführt, aber im Knast war er augenscheinlich zu einem Musterknaben geworden. Wut stieg in Ethan auf, als er sich Birchs feistes Gesicht ins Gedächtnis rief. Die alten Bilder. Das Abrisshaus voller Puppen, das bildhübsche Mädchen auf dem Boden, dahinter dieser geisteskranke Feuerteufel. Am Ende hatte Ethan ihn gekriegt – aber zu welchem Preis.
    »Entspann dich, Madison. Nicht jeder Verrückte da draußen ist Birch.«
    Sie schnaubte verächtlich. »Denk doch mal nach! Du und ich, wir haben Detroit verlassen und sind nach Virginia Beach gegangen und ein paar Jahre später beginnt hier plötzlich 'ne Mordserie.«
    Ethan schüttelte den Kopf. »Du bist paranoid.«
    Sie zog an ihrer Zigarette und Wut loderte in ihrem heilen Auge auf. »Ich bin paranoid? Na komm schon, Ethan! Erzähl mir die Details. Zündet der Wichser sie an?« Ihre unversehrte Gesichtshälfte war vor Zorn verzerrt, was ihre Züge annähernd symmetrisch wirken ließ.
    »Madison. Du weißt, dass es mir leid tut, was damals passiert ist, aber das -«
    Madison ließ ihn nicht ausreden. Sie sprang auf und ihr Stuhl fiel krachend zu Boden.
    »Weißt du was, Ethan? Wenn du mir nicht glaubst, dann verpiss dich! Wenn du mich für verrückt hältst, dann verpiss dich auch und wenn du mich schonen willst, dann verpiss dich erst recht !« Sie wies mit ihren behandschuhten Fingern zur Tür.
    »Madison...« Er erhob sich langsam, um sie nicht noch mehr in Rage zu versetzen und trat an sie heran, doch sie stieß ihn von sich.
    Eine einzelne Träne lief ihr übers Gesicht und sie wandte sich ab. Ethan konnte ihre Angst förmlich spüren. Vorsichtig näherte er sich ihr und sah ihrer beider Reflexionen in der Fensterscheibe. Seine eigene, einschüchternde Gestalt und das zierliche Mädchen, dessen Schicksal er zu verantworten hatte. Sie hatte ihm nie einen Vorwurf gemacht. Er hoffte, sie würde irgendwann damit anfangen.

-16-
     
    Ethan parkte seinen Pontiac G6 ein paar Straßen von seinem eigentlichen Ziel entfernt. Er stieg aus, schob sich die dunkle Sonnenbrille ins Haar und sah sich um. Heute war er früher dran als sonst. Die Sonne stand hoch über Virginia Beach und brannte auf seine bloßen Unterarme.
    Er setzte sich in Bewegung und dachte nach. Der Besuch bei Madison hatte ihn aufgewühlt. Er wünschte, er könnte sie endlich vom Dämon Wilbur Birch befreien. Sie hatte die Gerichtsverhandlung nicht miterlebt, hatte ihre Aussage aus dem Krankenhaus gemacht. Von daher wusste sie nichts von Birchs Drohungen gegen Ethan und sie sollte auch nichts davon erfahren. Sie hatte in den letzten Jahren so gute Fortschritte gemacht. Die Ärzte hatten Ethan Hoffnungen gemacht, dass Madison vielleicht irgendwann eigenständig leben können würde und jetzt das . Er machte sich große Sorgen um sie und das schlechte Gewissen war mit voller Wucht zurückgekehrt.
    Der erste Einsatz als leitender Detective in seiner Polizeikarriere und dann hatte ihm direkt so ein folgenschwerer Fehler unterlaufen müssen. Er würde sich nie verzeihen können, dass er schuld an Madisons Psychosen war. Das Schlimmste an der Situation war jedoch, dass er sie nicht ändern, nicht kontrollieren konnte. Egal wie sehr er es wollte, er würde Madison nicht helfen können. Er konnte nicht mehr für sie tun, als sie regelmäßig zu besuchen und ihr zu zeigen, dass er für sie da war. Und selbst das konnte er nicht so oft, wie er es gern wollte.
    Ethan bog um die Ecke und verscheuchte Madison aus seinen Gedanken. Sie gehörte nicht hierher. Er wollte sie nicht mit hierher nehmen, sie nicht mit seinem Dreck beschmutzen.
     
    Zu Fuß überquerte er die breite Straße und schlenderte zwischen all den Mädchen her, die mit hohen Schuhen, kurzen Tops und

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