Abgründe (German Edition)
ihn einen faulen Fettsack, der zu nichts zu gebrauchen war, außer zum Vernichten von Sahnetörtchen und Milchshakes.
Ethan lehnte sich in seinem Stuhl nach vorne und sah Gladys gespannt an. »Komm schon, Glad, was hast du gefunden? Mach's nicht so spannend.«
»Also schön.« Sie grinste noch einmal in die Runde, dann wurde sie ernst. »Ich habe Evangeline Starks Aussage überprüft und bin dabei auf einige kleinere Diebstähle gestoßen, die Draper während der vergangenen zwei Jahre vermutlich gemeinsam mit Rusty Hilbredge begangen hat. Weil Hilbredge die Schuld an den Taten jedes Mal auf sich genommen hat, wurde in ihrer Strafakte nichts gefunden. Ava Draper ist also offiziell nicht vorbestraft.«
»Super!« Masons zweifelnder Gesichtsausdruck wurde begleitet von erbosten Blicken seiner Kollegen.
»Gib mal Ruhe, Mason«. Ethan kannte Gladys lange und gut genug, um zu wissen, dass sie die ganze Mannschaft nicht wegen so einer Nichtigkeit zusammen getrommelt hatte. Wenn Mason frustriert war, weil sie nur so schleppend vorankamen, war das in Ordnung, aber er machte es nicht besser, indem er alle mit seinen Kommentaren nervte.
»Ich habe heute Morgen mit Charlie Sutherland gesprochen und er hat Starks Geschichte bestätigt. Draper hat Sutherland gegenüber die Diebstähle gestanden, aber weil sie ihm mit der rührenden Geschichte von ihrem prügelnden Freund kam, hat er auf eine Anzeige verzichtet und sie sogar weiter in seinem Lokal beschäftigt. Allerdings nur noch als Putzkraft, um sicher zu gehen, dass sie keinen Zugang mehr zu den Tageseinnahmen hat. Draper hat ihre Schulden bei Sutherland abgearbeitet und wurde schlussendlich von Bates übernommen, als Sutherland in den Ruhestand gegangen ist. Kaum jemand weiß von den Diebstählen, doch unter denen, die es wissen, muss unser Täter sein.«
Ein erstauntes Raunen ging durch die Reihe der Detectives.
»In der gleichen Nacht, in der Draper verschwunden ist, wurde ein Einbruch bei Smith’ verzeichnet, einem bekannten Juwelier nahe dem Leichenfundort. Und was wurde als gestohlen gemeldet? Eine Fünfundsechzigtausend-Dollar-Kette aus 750-er Gold. Ein handgefertigtes Unikat. Die Kette, die Ava Drapers Leiche um den Hals getragen hat, als sie gefunden wurde.«
Ethan wischte sich über die feuchte Stirn und nickte anerkennend. »Gute Arbeit.«
»Tja, und es geht noch weiter.«
»Lass uns auch noch was übrig«, scherzte Donovan.
»Zu spät, Jungs. Unser Täter hat scheinbar von den Diebstählen gewusst, ist bei Smith’ eingebrochen und hat Drapers Leiche danach bewusst so arrangiert, dass man durch ein paar kleine Nachforschungen schnell auf ihre kriminelle Vergangenheit stößt. Doch denken wir einmal weiter… Grace Mitch wurde in einem Bus von Casinos Unlimited gefunden. Gehen wir davon aus, unser Täter kannte auch sie besser. Was könnte wohl Mitchs Laster gewesen sein?« Gladys blickte in die Runde. »Es ist ganz banal.«
»Glücksspiel!«, entfuhr es Donovan.
»Ganz genau. Mitch war spielsüchtig.« Gladys machte eine kurze Pause, bevor sie weiter bohrte. »Was könnte es bei Jaiden gewesen sein? Schließlich wurde Arsen an der Leiche entdeckt, die vor Albert Jaidens Grab kniete.«
Ethan rieb sich die Schläfen, dann blickte er überrascht auf. »Sie hat ihn vergiftet. Tiffany Jaiden hat ihren Mann vergiftet!«
Gladys nickte. »Genau das gilt es jetzt herauszufinden. Ich habe die Exhumierung von Albert Jaidens Leiche für morgen früh beantragt.«
-15-
Am späten Nachmittag machte sich Ethan auf den Weg zur Psychiatrischen Klinik von Virginia Beach. Er musste sich dringend etwas Zeit für Madison nehmen. Viel zu lange schon hatte er sich nicht mehr bei ihr blicken lassen. Abends, wenn er von der Arbeit kam, war in der Klinik die Besuchszeit längst vorbei und wenn sie tagsüber einmal nicht in einer der scheinbar endlosen Therapiestunden saß, musste er arbeiten.
Besuche bei Madison waren nicht immer einfach. Ethan hatte noch nie eine derart verbitterte junge Frau gesehen, doch wenn er sich ihr Schicksal vor Augen hielt, konnte er ihr diese Bitterkeit nicht verübeln. Unglücklicherweise war er für das, was ihr zugestoßen war, maßgeblich mit verantwortlich. Immer wieder versuchte er sich einzureden, dass er nicht hätte verhindern können, was damals geschehen war. Dass er den Wahnsinnigen, der ihr das angetan hatte, nicht hätte aufhalten können, ganz egal, was er getan hätte. Vergebens – die Selbstvorwürfe bleiben.
Er drängte
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