Abgründe - Wenn aus Menschen Mörder werden - Der legendäre Mordermittler deckt auf
sei in Zeitnot geraten und habe es dann bei ihm nicht mehr geschafft. Und zuletzt erklärte er auch noch, woher er die Geheimnummer für Elisabeths Girokonto kannte, das er ja geplündert hatte: Die PIN hatte sie in einem Notizbüchlein notiert. Dazu habe er sie selbst animiert, als sie noch zusammen waren. Die Zahl sei als Geburtsdatum getarnt gewesen.
Gleich am nächsten Morgen setzte ich die Vernehmung von Klaus F. fort. In der JVA, wo er auf Anweisung des Staatsanwaltes ein »Einzelzimmer« bekommen hatte, hatte man ihn in Ruhe gelassen und keine schlauen Ratschläge erteilt. An der Schuld- bzw. Täterfrage gab es ohnehin
keine Zweifel mehr, die war felsenfest zementiert. Nun ging es vor allem um das wahre Motiv für diese unbegreifliche, entsetzliche Tat.
Er habe an nichts anderes mehr denken können als an diese 140 000 Euro, seit ihm Elisabeth von ihrer Erbschaft erzählt hatte. Das sei wie eine immer stärker werdende, fixe Idee gewesen, von der er zum Schluss wie besessen war. Würde ihm das Geld gehören, hätte er fast eine viertel Million. Eine viertel Million! Bei einer viertel Million beginne der Wohlstand erst so richtig, sei es ihm Tag und Nacht durch den Kopf gegangen. Es sei eine unbeschreibliche Gier gewesen, die da von ihm Besitz ergriffen habe. Nie habe er beispielsweise 250 000 Euro vor sich gesehen, sondern immer nur »eine viertel Million«. Am Ende sei er nur noch von dem einzigen Gedanken beherrscht worden, wie er dieses Geld in seinen Besitz bringen könne. Es sei wie eine Sucht geworden, die da in ihm herangewachsen und immer größer geworden sei. Schließlich habe er gedanklich alle Möglichkeiten durchgespielt, wie er an das Geld von Elisabeth kommen könnte. An Einbruch habe er gedacht und den Gedanken wieder verworfen, weil zu unsicher und zu risikoreich. An einen Raubüberfall habe er gedacht und auch diesen Gedanken wieder verworfen, denn sie hätte ihn erkennen können. Am Ende sei er zur Überzeugung gelangt, es gäbe nur eine einzige Möglichkeit: Er müsse Elisabeth töten. Das sei ihm letztendlich als der einzig gangbare Weg erschienen, um an das Geld kommen zu können. Anfangs sei er erschrocken gewesen über diesen Gedanken. Aber noch stärker sei diese unbeschreibliche Gier gewesen.
Wenn zu seinen Hunderttausend noch einmal Hundertvierzigtausend dazu kämen, dann sei er nicht mehr weit von einer viertel Million entfernt, sei es ihm ständig durch den Kopf gegangen. Er habe an nichts anderes mehr denken können. Und so habe er begonnen, die Tat zu planen.
Ich fragte mich, ob es wirklich sein kann, dass ein Mensch, der auf dem Boden von Recht und Gesetz stand, der ein anständiges, straffreies Leben geführt hat, der sich nie als geizig oder raffgierig zeigte, quasi über Nacht seine gesamte Persönlichkeit verändern konnte? Kann plötzlicher Reichtum eine Gier nach immer mehr auslösen und einen Menschen zum Raffzahn umwandeln? Kann Habgier sogar stärker werden als die hohe Hemmschwelle, die uns davon abhält, andere Menschen zu töten? Stimmt etwa das Sprichwort: »Geld verdirbt den Charakter«? Sicherlich nicht bei jedem, bin ich überzeugt. Bei manchen (vielen?) aber schon.
Eigentlich war »das Gröbste« geklärt, überlegte ich. Dass in diesem Fall die Höchststrafe verhängt werden würde, nämlich lebenslange Freiheitsstrafe mit besonderer Schwere der Schuld, daran hatte niemand Zweifel. Obwohl übrigens das Mordmerkmal der Grausamkeit laut Gericht nicht erfüllt war. Denn einen schmerzhaften, besonders leidvollen Tod hatten die beiden Opfer nicht. Zumindest ging man davon aus, dass sie betäubt waren, als ihnen die Köpfe abgetrennt wurden.
Nur eine Nebensächlichkeit ging mir noch im Kopf herum. Aber eine, die sehr aussagekräftig sein konnte im Hinblick auf die wahre Gefühlswelt des Täters. Da mich
die Sache beschäftigte, wollte ich eine Antwort. Und zwar möglichst sofort. Weil es mich verrückt macht, wenn ich mir etwas nicht erklären kann, was aber nach Klärung schreit. Also stellte ich Klaus F. abschließend noch diese letzte Frage:
»Sie sagten, Köpfe und Hände wären in einem Müllsack gewesen. Da war aber kein Müllsack. Die Leichenteile lagen lose im Erdreich. Warum?«
»Sie werden lachen, aber den Plastiksack habe ich aus Umweltschutzgründen weggelassen.«
Nie mehr in meinem Leben werde ich diesen Satz vergessen!
Verlagsgruppe Random House
Redaktion: Johann Lankes, München
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