Abgründig (German Edition)
der Hütte gewöhnt hatten, fiel ihm das Heulen, Knirschen und Klappern auf, das der Sturm rund um die Hütte verursachte.
»Willkommen im Urlaubsparadies«, sagte eine Stimme vom Boden her, die Tim als die von Janik identifizierte.
»Mann, ich dachte, das überleb ich nicht da draußen.« Tim zog den Rucksack von den Schultern und stellte ihn neben sich ab. »Ich würde sagen, wir haben ziemliches Glück gehabt. Immerhin ist es hier trocken und windstill. Wie seid ihr überhaupt hier reingekommen? War die Tür offen?«
»Nein, war aber kein Problem«, sagte Janik. »Ist allerdings jetzt ein Einbruch.«
»Ich denke, bei dem Wetter wird man das verstehen.«
»Ja, ja, und gleich kommt der Zimmerservice und schüttelt die Betten auf. So ein verdammter Mist!« Das musste Sebastian gewesen sein. »Wir sitzen irgendwo an diesem Berg fest und haben weder eine Ahnung, wo wir sind, noch jemanden dabei, der sich auch nur ein bisschen auskennt.« Der letzte Teil war zweifelsfrei an Ralf gerichtet, der sich zu Tims Verwunderung jedoch zurückhielt. Überhaupt, Ralf …
»Lena? Wo bist du?«
»Hier«, antwortete sie von einem der Hocker. Tim hatte so eine Ahnung, um wen es sich bei der Gestalt auf dem anderen Hocker handelte.
»Geht es dir gut?« Sobald ihm die Worte über die Lippen kamen, wurde ihm klar, dass nun wirklich alle kapieren mussten, was er für Lena empfand. Und ihm wurde auch klar, dass er es aus genau diesem Grund gesagt hatte.
»Ja, einigermaßen. Ich hab ein paar Schürfwunden, aber nichts Schlimmes.«
Tims Augen gewöhnten sich immer mehr an die schummrigen Lichtverhältnisse, sodass er mittlerweile auch die einzelnen Gesichter erraten konnte. Es war tatsächlich Ralf, der da auf dem Hocker neben Lena saß.
»Was machen wir jetzt?«, fragte Julia, während Tim dem dringenden Bedürfnis nachgab, sich ebenfalls einfach auf den Boden fallen zu lassen.
»Erst mal froh sein, dem Sturm entkommen zu sein«, sagte Ralf.
Sebastian stieß laut schnaubend den Atem aus. »Den es laut deiner brillanten Vorhersage ja gar nicht geben dürfte.«
»Entkommen, sagst du?« Das war Denis’ Stimme. Tim hatte ihn bis dahin noch nicht entdeckt, weil er in der hintersten Ecke kauerte. »Freak!«
»Immerhin sitzen wir im Trockenen«, beharrte Ralf. Es hörte sich trotzig an.
» Wir sitzen hier fest trifft es wohl eher. Hör verdammt noch mal auf, die Situation schönzureden, in die du uns gebracht hast.« Sebastians Stimme hörte sich immer wütender an. »Wir sitzen hier, weil der große Bergführer und Wetterkenner sicher war, dass es kein Unwetter gibt. Weil er den bekannten Weg verlassen musste und sich prompt verlaufen hat. Und eben weil er den bekannten Weg verlassen hat, werden die Bergretter, die jetzt da draußen wahrscheinlich ihr Leben riskieren, um uns zu finden, vollkommen umsonst suchen. Wer weiß, vielleicht verunglückt der eine oder andere sogar, weil sie natürlich die bekannten Wege absuchen. Wer kann denn auch damit rechnen, dass jemand so bescheuert ist, auf einem Berg im schlimmsten Orkan des Jahres einfach querfeldein zu laufen?!«
Sebastian war mit jedem Satz lauter geworden und Tim war froh, dass er aufzuhören schien, bevor er sich vollkommen in Rage geredet hatte. Der große, muskulöse Kerl war nur schwer berechenbar.
»Sie werden nicht nach uns suchen.« Etwas an der Art, wie Ralf das gesagt hatte, alarmierte Tim. Bevor er aber darüber nachdenken konnte, riss plötzlich ein heller Lichtkegel Fabians Gestalt aus der Dunkelheit und wanderte dann quer durch den Raum.
»Es werde Licht«, sagte Janik und blinzelte, als der blendende Schein plötzlich auf ihm lag. »He, lass das! Wer ist das überhaupt?«
Es war Lucas, der mit der Taschenlampe eines der Geheimnisse seines Rucksacks gelüftet hatte.
»Wenn wir schon eine Taschenlampe haben, sollten wir nachsehen, ob es hier was Brauchbares gibt«, schlug Janik vor. »Kann ja sein, dass wir ein paar Stunden festsitzen.«
Er ahnte nicht, wie sehr er sich verschätzte.
11
Ralf hatte die Lampe von Lucas übernommen und die Wände abgeleuchtet, bis der Lichtkegel das kleine Fenster erfasste, durch das sich der graue Schein drückte. »Kann mal jemand versuchen, den Laden zu öffnen?«, fragte er.
Fabian, der dem Fenster am nächsten saß, stand auf und betrachtete es.
»Und wenn der Sturm das Glas kaputt macht?«, gab er vorsichtig zu bedenken.
Ralf schüttelte den Kopf. »Das glaube ich nicht. Solche Stürme gibt es hier oben öfter. Das
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