Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Abgründig (German Edition)

Abgründig (German Edition)

Titel: Abgründig (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arno Strobel
Vom Netzwerk:
an der Tür gestanden, weil er sicher sein wollte, dass Ralf nicht zurückkommt.«
    Tim war nicht in der Lage, zu reagieren. Er wusste, dass Julia mit großer Wahrscheinlichkeit die Wahrheit sagte. Ihre Beschreibung passte zu seinen früheren Schlafwandleraktionen. Er hatte reglos vor einem geöffneten Fenster oder einer geöffneten Tür gestanden und nach draußen gestarrt. Anfangs so lange, bis seine Mutter ihn verstört weckte. Später dann hatte sie ihn einfach nur beobachtet, bis er nach einer Weile selbst zurück ins Bett ging. Am nächsten Morgen hatte er nie etwas davon gewusst.
    »Das wird ja immer spannender«, sagte Sebastian selbstgefällig. »Und, Timmi, was sagst du dazu?«
    Tim wusste nicht, was er dazu sagen sollte. Oder konnte.
    Lena berührte ihn am Arm. »War es das, was du mir sagen wolltest?« Sie versuchte erst gar nicht, so leise zu sein, dass es sonst niemand hörte.
    »Ja«, sagte Tim. »So ungefähr.«
    »Ach, du wolltest was erzählen?« Wieder war es Sebastian, und Tim spürte, dass er seine Wut über dessen provokantes Verhalten nicht mehr lange im Zaum halten konnte. »Erfahren wir jetzt endlich, was mit Ralf passiert ist? Dann sind wir alle sehr gespannt.«
    »Nein, wir erfahren nicht, was mit Ralf passiert ist«, antwortete Tim. »Jedenfalls nicht von mir, weil ich es nicht weiß. Ich werde euch etwas erzählen, ja. Aber das hat nichts mit Ralf zu tun, sondern damit, was Julia gesehen hat.«
    Julia rückte näher an Sebastian heran, legte mit ängstlicher Miene ihre Hand auf sein Bein und ihre Wange an seinen Oberarm. Tim empfand ihr Gehabe als lächerlich, jetzt, wo er wusste, worum es ging. Als ob er sich plötzlich auf sie stürzen und ihr etwas antun würde, weil er geschlafwandelt war.
    »Ich dachte eigentlich, dass es schon seit ein paar Jahren endgültig vorbei ist. Aber da habe ich mich wohl getäuscht.«

24
    »Ich bin als Kind geschlafwandelt.«
    Eine Weile herrschte Ruhe, dann machte Sebastian: »Ha«, und klopfte sich mit der flachen Hand auf den Oberschenkel. »Ich wusste doch, dass du ein Psycho bist.«
    »Das hat nichts mit Psycho zu tun, du Dummschwätzer«, fuhr Tim ihn an. »Vielleicht versuchst du einfach mal, für fünf Minuten deinen Mund zu halten. Nicht jeder Satz muss von dir kommentiert werden.« Tim sah von einem zum andern. »Wollt ihr jetzt was dazu hören oder nicht?«
    Sie wollten und gaben Sebastian das auch mit deutlichen Blicken zu verstehen.
    »Also, Schlafwandeln ist unter Kindern sehr verbreitet. Vielleicht ist der eine oder andere von euch auch schon nachts herumgelaufen und weiß es nur nicht. Ich habe mich jedenfalls immer an offene Fenster oder Türen gestellt und rausgestarrt. Irgendwann bin ich dann ins Bett zurück und habe weitergeschlafen. Am nächsten Morgen weiß man davon nichts mehr. Wie gesagt hatte ich das schon lange nicht mehr. Und seltsam ist auch, dass Julia meint, es war gegen Morgen, als es schon hell wurde. Normalerweise passiert das immer sehr früh in der Nacht. Ich habe dafür nur die Erklärung, dass das mit dem vielen Alkohol zusammenhängt. Auf jeden Fall hat es aber nichts mit Ralf zu tun.«
    Lena streichelte Tims Hand. »Zumindest haben wir jetzt eine Erklärung dafür, warum du nass warst, obwohl du dich nicht daran erinnerst, draußen gewesen zu sein.«
    »Moment mal«, hakte Sebastian nach und zog die Stirn kraus. »Wenn du nachts rumläufst und nicht weißt, was du tust … Wer sagt uns denn, dass du nicht draußen warst und im Schlaf Ralf niedergeschlagen hast, der da zum Pinkeln stand? Oder niederge stochen , mit deinem schönen Schweizer Messer, das ja seltsamerweise verschwunden ist? Euch Psychopathen ist doch alles zuzutrauen. Liest man laufend in der Zeitung. Ihr murkst jemanden ab und anschließend bekommt ihr ein paar Monate Therapie, weil ihr ja nicht mehr alle Tassen im Schrank habt. Und dann lauft ihr wieder frei rum und macht den Nächsten kalt.«
    Etwas in Tim zerriss. Das Band, das seinen Verstand zusammenhielt, vielleicht. Ihm war, als lege sich ein roter Schleier über sein Bewusstsein, als er sich mit einem gurgelnden Laut auf Sebastian stürzte und ihn mit seinem Körpergewicht umwarf. Sebastian wehrte sich, versuchte ihn wegzudrücken. Sie wälzten sich über den Boden, während um sie herum geschrien wurde. Hände griffen nach Tim, zogen ihn an Armen und Beinen, etwas kratzte schmerzhaft über sein Gesicht. Dann rutschten seine Hände von Sebastian ab und man zog sie auseinander.
    »Verdammt«,

Weitere Kostenlose Bücher