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Abgründig (German Edition)

Abgründig (German Edition)

Titel: Abgründig (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arno Strobel
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Arm. Mit einem Ruck zog Tim ihn weg. Er war so unendlich müde, er wollte nicht aufwachen. Hatte er den Wecker nicht gehört und verschlafen? Musste er schon aufstehen?
    »Lass mich«, nuschelte er, doch im gleichen Moment wurde sein Geist klar. Er lag nicht zu Hause in seinem Bett, sondern auf dem harten Boden einer Berghütte. Der Sturm, Ralf, das Messer …
    Er riss die Augen auf und erschrak. Nur Zentimeter vor seinem Gesicht starrte ihm Sebastian entgegen. »Er ist wach«, stellte er fest, während er Tim unentwegt anstierte. »Na los, beweg dich.«
    Tim versuchte sich aufzurichten, aber er knickte ein und schlug hart auf dem Boden auf. Alles tat ihm weh.
    Im zweiten Anlauf gelang es ihm schließlich, sich aufrecht hinzusetzen.
    Er blickte sich in der Hütte um, und es fiel ihm sofort auf, dass etwas anders war als zuvor. Die anderen hockten zusammen in der Mitte der Hütte, ausnahmslos alle begutachteten ihn, selbst Denis. Aber das war es nicht, was Tim irritierte.
    Es war so … still. Wirklich, richtig still. Nur ein leises, sanftes Prasseln war zu hören. Regen. Aber eine Art von Regen, die nichts mit dem zu tun hatte, was sie seit dem Vortag erlebt hatten. Und noch etwas fiel ihm auf: Das Licht hatte sich verändert. Der gelbliche, stets flackernde Schein war verschwunden und durch eine andere Art von Licht ersetzt worden. Nicht heller, im Gegenteil, die Konturen der anderen waren nicht klar erkennbar, und doch … Tageslicht. Allerdings äußerst trüb. Das musste an den Wolken liegen oder es war schon wieder recht spät.
    Jetzt bemerkte Tim auch einen unangenehmen kalten Luftzug, der ihn frösteln ließ. Er kam vom Fenster. Die anderen hatten die Holzläden geöffnet, sodass dämmriges Tageslicht ebenso in die Hütte strömen konnte wie der kühle Wind und ein paar Regentropfen.
    Dann begriff Tim: Der Sturm hatte nachgelassen.
    Endlich.
    Tim konnte die Erleichterung körperlich fühlen, die diese Erkenntnis mit sich brachte.
    War es vorbei? Wurde jetzt alles gut?
    Schon einen Herzschlag später wurde ihm klar, dass nichts vorbei und nichts gut war. Im Gegenteil. Wenn das Unwetter sich endlich ausgetobt hatte, würden sie wahrscheinlich bald erfahren, was mit Ralf geschehen war. Was bedeutete, dass Tims schlimmster Albtraum zur Gewissheit werden könnte.
    »Wann hat der Sturm nachgelassen?«, fragte er an Janik gewandt, der schräg vor ihm auf dem Boden saß.
    »Etwa vor zehn Minuten. Ging ganz schnell. Plötzlich war Ruhe.«
    »Wie spät ist es?«
    »Halb zehn.«
    »Schon? Dann hab ich ja stundenlang geschlafen.«
    »Ja, und du hast es sogar geschafft, dabei niemanden abzumurksen«, kam es von der anderen Seite.
    Tim nahm sich vor, Sebastian ab sofort keinerlei Beachtung mehr zu schenken. Er durfte sich von ihm nicht provozieren lassen. Damit würde er ihn nur darin bestätigen, gewalttätig zu sein.
    Tim dachte an Fabian und sah zu ihm. Der Vierzehnjährige war der Einzige, der lag. Er war in zwei Decken gehüllt, während Denis entweder noch immer oder schon wieder neben ihm hockte.
    »Wie geht’s ihm?«, wollte Tim wissen.
    »Fieber, ziemlich hoch«, antwortete Denis und betrachtete Fabian nachdenklich. »Und er quatscht Blödsinn. Aber das macht er ja die ganze Zeit.«
    Tim überlegte, dass sie Fabian auf jeden Fall tragen müssten, wenn sie die Hütte verließen. Wenn sie die Hütte verließen …
    Tim sah sich um, suchte Lena. Sie saß auf einem der Holzschemel und schien ihn die ganze Zeit über beobachtet zu haben. Er ignorierte Sebastian, der noch immer vor ihm hockte und zurückweichen musste, damit Tim ihn nicht umstieß.
    Nachdem er seine schmerzenden Muskeln gedehnt hatte, ging er zu Lena hinüber. Als er sie erreicht hatte, drehte er sich zu den anderen um: »Könnt ihr mal aufhören, mich anzustarren?«
    »Man sieht halt selten einen Psychopathen in freier Wildbahn«, ätzte Sebastian von der Ecke aus.
    Tim ließ es an sich abprallen und spürte, dass er tatsächlich darüber hinaus war, etwas auf Sebastians Worte zu geben. Sebastian war ein Neandertaler, er war nicht wichtig. Lena war wichtig. Tim blickte sie an. »Wir werden die Hütte jetzt bald verlassen können.«
    »Leider noch nicht«, sagte sie traurig. »Es wird bald dunkel. Das wäre zu gefährlich. Wir werden bis morgen früh warten müssen.«
    Tim nickte, das hatte er sich auch schon gedacht. Trotzdem erschien alles gleich weniger schlimm. Immerhin konnten sie nun sicher sein, dass sie aus dieser Bruchbude wieder heraus und

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