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Abgründig (German Edition)

Abgründig (German Edition)

Titel: Abgründig (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arno Strobel
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als müsse jeder für sich den Gedanken verarbeiten, dass sie jemanden unter sich hatten, der mit einem Messer auf seine Mutter losgegangen war und nun vielleicht einen von ihnen verletzt hatte. Selbst Lena vermied jeden Augenkontakt mit Tim. Wer wollte es ihr auch verübeln?, dachte Tim. Warum sollte sie sich mit jemandem einlassen, der unberechenbar war? Es gab genügend ganz normale Jungs, da wäre es doch vollkommen verrückt, sich mit jemandem wie ihm abzugeben. Vielleicht hatte Sebastian ja recht und er war wirklich ein Psychopath.
    Wahrscheinlich hatte Sebastian recht. Schließlich hatte Tim sich nicht unter Kontrolle und wusste nicht immer, was er tat. Tagsüber war er der liebe nette Junge von nebenan, nachts wurde er zum gefährlichen Monster, der Menschen mit einem Messer verletzte. Sogar seine eigene Mutter. Waren das nicht Eigenschaften, die einen Psychopathen ausmachten?
    Ein Schatten tauchte über Tim auf und Janik ging neben ihm in die Hocke.
    »Hör zu«, sagte er leise. Tim glaubte zu erkennen, dass Janik es sich nicht leicht machte mit dem, was er ihm sagen wollte. »Ich bin kein Experte, was deine Geschichte angeht. Aber allein die Tatsache, dass du uns eingeweiht hast, heißt für mich, dass du nichts mit Absicht tust, wenn du schlafwandelst. Und dass du dir Sorgen machst. Nur damit du das weißt: Ich denke anders als Sebastian. Aber … wenn das alles so stimmt, dann bist du gefährlich. Auch wenn du es nicht willst. Wir werden was unternehmen müssen, um uns und die Mädchen zu schützen. Ich hoffe, das siehst du ein.«
    Tim hörte die Worte, er verstand sie auch, aber ihre Bedeutung war ihm letztendlich egal. Sollten sie tun, was sie wollten.
    »Ich hab keine Ahnung, wie lange dieses Unwetter noch anhält, aber falls wir heute Nacht wieder hier pennen müssen … Na ja, wir werden dich irgendwie fesseln müssen oder so, damit du nicht aufstehen kannst.«
    Tim sah ihn an und zuckte mit der Schulter. Fesseln. Ja. Sollten sie. Es war ihm gleich.
    Tim bemerkte, dass Janik nun Lena ansah, und wandte sich zu ihr um. Ihre Augen glänzten feucht. Sie nickte ihm zu und sagte: »Es ist wohl besser so. Auch für dich.«
    »Dann fesselt auch den Möchtegern-Sherlock-Holmes!«, zischte Denis. »Der ist viel gefährlicher als Tim.«
    Ihre Befürchtungen wurden wahr. Der Sturm wollte einfach nicht abflauen, und zu der ohnehin schon schwierigen Lage kam der Hunger hinzu, den sie mittlerweile alle verspürten. Niemand hatte noch etwas zu essen, nicht einmal eine Kleinigkeit. Die Dose mit Erdnüssen, die noch an Ralfs Platz gelegen hatte, hatte Lucas schon am frühen Morgen mit einem Nagel aufgestemmt, den er irgendwo gefunden hatte, weil der Ring zum Öffnen des Deckels abgebrochen war. Jeder außer Denis und Tim hatte ein paar der Nüsse verputzt. Doch keiner von beiden beschwerte sich deswegen. Tim nicht, weil er sowieso keinen Bissen heruntergebracht hätte, und Denis schwieg, weil es wohl nicht seine Art war, über Hunger zu klagen. Tim hatte den Gedanken, dass Denis wahrscheinlich schon weitaus Schlimmeres hatte ertragen müssen.
    Dafür jammerte Julia lautstark und faselte von Ohnmachtsanfällen, wenn sie so unterzuckert war wie jetzt. Angeblich hatte sie ernste Zweifel, ob sie die Hütte überhaupt wieder auf eigenen Beinen würde verlassen können.
    Das alles perlte an Tim ab. Irgendwann stand er auf, nahm sich eine Decke und kauerte sich in die Ecke neben der Eingangstür, in der Denis so oft gesessen hatte.
    Lena beobachtete ihn dabei, machte aber keine Anstalten, ihm zu folgen oder etwas zu sagen. Es war ihm nur recht. Er wollte allein sein, musste nachdenken.
    Nachdem alle mitverfolgt hatten, wie er es sich in der Ecke einigermaßen bequem gemacht hatte, ließen sie ihn in Ruhe. Tim entging jedoch nicht, dass sich Sebastian, Janik, Julia und auch Lucas dabei abwechselten, ihn mit Argusaugen zu beobachten.
    Wieder wanderten seine Gedanken zu jener Nacht, in der er seine Mutter und sich selbst geschnitten hatte. Dann zermarterte er sich erneut den Kopf über vergangene Nacht – an irgendetwas musste er sich doch erinnern. Ein Bild, ein Geräusch, irgendetwas, das ihm einen Hinweis darauf gegeben hätte, was geschehen war. Aber da war nur Schwärze. Er zog die Beine an und legte die verschränkten Unterarme auf den Knien ab. Dann vergrub er das Gesicht darin und zog sich zurück. In seine Burg mit den dicken Außenmauern.
    Irgendwann schlief er ein.

27
    Etwas zog an ihm, jemand rüttelte an seinem

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