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Abgrund der Lust

Abgrund der Lust

Titel: Abgrund der Lust Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Schone
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wäre an Hunger oder Krankheit gestorben oder durch ein Messer oder einen Knüppel.
    Gabriel hatte Michael alles zu verdanken.
    »Ich kenne Neville Jamieson nicht«, sagte Gabriel wahrheitsgemäß.
    Michaels violettblaue Augen waren wachsam, versuchten Gabriels Schale zu durchdringen. »Jamieson war ein Partner meines Onkels.«
    Ein Partner …
    »Woher weißt du das?«, fragte Gabriel scharf, die Zurückhaltung war durchbrochen.
    »Anne hat die Zeitung gelesen.« Kerzenlicht flackerte, Bernstein wirbelte, Violett funkelte. »Anne hat es mir gesagt.«
    Annes Landgut war ebenfalls in Dover, wie das von Michaels Onkel. Sie musste es wissen.
    Gabriel bemühte sich, sich das Spiel zusammenzureimen, das der zweite Mann inszeniert hatte.
    Er hatte einen Edelmann aus Dover getötet. Aber warum?
    »Wer war der Mann, der Jamieson angeblich getötet hat?«, fragte Gabriel gespannt.
    »Leonard Forester.«
    Leonard Forester war der Name des Architekten, der das Haus Gabriel entworfen hatte.
    Die Angst, die durch Gabriels Adern schoss, verknotete sich in seinem Magen.
    Die Zeitung irrte sich. Forester hatte nicht Selbstmord begangen, er war ermordet worden.
    Beide Männer standen in einem Zusammenhang mit dem zweiten Mann. Aber wie ?
    »Warum hat er Jamieson umgebracht?«
    »Leonard Forester ist Architekt«, sagte Michael und beobachtete Gabriels Reaktion. Beide Männer waren mit seiner Vergangenheit verknüpft. »Jamieson gehört die Firma, bei der Forester angestellt war.«
    Gabriel erinnerte sich … an die Augen, die ihn beobachtet und aus dem Schlaf geweckt hatten. An den Geruch, der in seiner Suite in der Luft gelegen hatte.
    Johns Bericht über das, was er im Hundred Guineas Club erfahren hatte … Lenora hat sowohl Geraldine als auch ihn versetzt, und seitdem hat er Lenora nicht mehr gesehen .
    Lenora … Leonard.
    Leonard Forester hatte das Haus Gabriel gebaut. Er hatte einen Geheimgang für den zweiten Mann gebaut.
    Und nun war er tot.
    Der zweite Mann war heute in seiner Suite gewesen.
    Delaney. Der zweite Mann.
    Es war gleichgültig, wie er sich nannte. Er war im Haus Gabriel.
    Er hatte Victoria.
    Gabriel lief zwischen den Tischen durch, schob einen Stuhl beiseite, ein Tisch kippte, ein silberner Kerzenständer fiel um.
    »Gabriel!«
    Michaels Stimme hallte dumpf in Gabriels Ohren, keine Zeit, sich um die Wahrheit zu kümmern.
    Er nahm drei Stufen der schmalen Treppe auf einmal.
    Julien lag zusammengesackt vor der Tür, das kastanienbraune Haar wie einen Seidenschal um sich ausgebreitet. Blut tropfte über den Holzrand der obersten Stufe.
    Seine Kehle war aufgeschlitzt.
    Gabriel wusste, was Julien zuletzt gesehen hatte: Er konnte die Verwunderung spüren, die den Tod überlebte wie die Überreste ausgewischter Kreide auf einer Tafel.
    Julien hatte nicht damit gerechnet, im Haus Gabriel zu sterben; er hatte nicht damit gerechnet, von einem Mann getötet zu werden, den er für einen Freund hielt.
    Es blieb keine Zeit zu trauern.
    Später würde Gabriel über den Tod eines weiteren heimatlosen Bruders trauern. Aber nicht jetzt.
    Victoria brauchte ihn.
    Gabriel kramte in seiner Hosentasche nach dem Türschlüssel – merde – , wo war der verdammte Schlüssel? Vage nahm er polternde Schritte hinter sich auf der Treppe wahr.
    Es war zu spät, Michael zu schützen.
    Zu spät, Julien zu retten … Julien, der ihm zu sehr vertraut und mit seinem Leben bezahlt hatte.
    Nun war er tot.
    Ein weiteres Opfer in einem siebenundzwanzigjährigen Alptraum.
    Gabriel fand den Messingschlüssel und schob ihn ins Schloss. Juliens Leiche versperrte die Tür; Gabriel zerrte sie auf, schob Julien in einer Blutlache vor. Er zwängte sich durch den schmalen Spalt. Kreide knirschte unter seinen Schuhsohlen. Weitere weiße Körnchen waren auf dem kastanienbraunen Teppich verstreut.
    Er achtete nicht darauf.
    Das Rätsel Delaneys und des zweiten Mannes war kein Rätsel mehr.

Kapitel 24
    »Gabriel.« Der zweite Mann lehnte am Schreibtisch; das schwarze Haar schimmerte blau im Licht des Kronleuchters, die violettblauen Augen leuchteten. Ein vertrautes Grinsen breitete sich auf seinem Gesicht aus. » Mon ange .«
    Mein Engel prickelte es auf Gabriels Haut.
    Die Stimme des zweiten Mannes hatte den gleichen wissenden Unterton wie die von Michael und Gabriel: die Stimme eines Mannes, der gelernt hatte zu betören, zu verführen, zu befriedigen.
    Victoria stand zwischen seinen gespreizten Beinen; das goldbraune Seidenkleid mit den weinroten

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