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Abgrund der Lust

Abgrund der Lust

Titel: Abgrund der Lust Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Schone
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Samtrevers und den cremeweißen Einsätzen voller grüner, gelber und dunkelroter Farbtupfer bildete einen scharfen Kontrast zum tristen Schwarz des Frackes.
    Eine Faust ballte sich in Gabriels Eingeweiden, als er Madame Renés Kreation erkannte. Der blaue Seidenschal, mit dem ihr Mund zugestopft war, und der grüne Seidenschal, der um ihre Hände gebunden war, schnürten ihm die Brust ab.
    Der zweite Mann streichelte ihre Wange mit einem gezähnten Bowiemesser. Es war Gabriels Messer. Ein Messer, dessen einziger Zweck das Töten war. Ohne Zweifel hatte es Julien getötet.
    Ein blau plattierter Revolverlauf spielte mit der weinroten Samtschleife auf Victorias linker Schulter; lange, schlanke Finger hielten den Colt mit Doppelfunktionsschloss. Der Hahn war für einen einzelnen Schuss gespannt.
    Der violettblaue Blick glitt an Gabriel vorbei.
    »Michael.« Das Grinsen des zweiten Mannes wurde breiter. »Wie nett, dass du dich zu uns gesellst.«
    Michaels und Victorias Schrecken war deutlich spürbar.
    Als Michael den zweiten Mann anschaute, sah er sich selbst, wie er ausgesehen hatte, bevor das Feuer ihn entstellt hatte; als Victoria Michael sah, wurde ihr klar, dass der Mann, der sie festhielt, nicht derjenige war, der für seine Fähigkeit berühmt war, Frauen Lust zu bereiten.
    Gabriel war weder überrascht noch entsetzt über das Gesicht des Mannes. Eigentlich sollte er Genugtuung empfinden, ihm wieder gegenüberzustehen: Es war nicht so.
    »Macht die Tür zu, s'il vous plaît «, bat der zweite Mann, erfreut über die Reaktion seines Publikums. »Wir wollen doch nicht, dass Mademoiselle sich den Tod holt.«
    Seine violettblauen Augen funkelten amüsiert über seinen Witz.
    Kein kalter Luftzug würde Victoria umbringen. Wenn Michael liefe, um Hilfe zu holen, würde er die Frau töten, die Gabriel berührt hatte, warnte der zweite Mann. Sofort. Mit einem Messer. Oder mit einer einzigen Kugel.
    Und Gabriel würde es nicht verhindern können.
    »Ich glaube, eine Vorstellung wäre angebracht.« Der zweite Mann sprach mit charmanter Höflichkeit; mit derselben betörenden Höflichkeit hatte er auch gesprochen, als Gabriel angekettet war und sich weder gegen sich selbst noch gegen den Mann hatte wehren können, der aussah wie Michael, aber nichts von Michaels Menschlichkeit besaß. »Gabriel, du erkennst sicher Delaney; er besitzt eine ausgesprochene Ähnlichkeit mit seiner Schwester, nicht wahr? Mademoiselle Childers, darf ich Ihnen Michel des Anges vorstellen, den Mann, der für seine Fähigkeit berühmt ist, Frauen Lust zu bereiten. Michael, erlaube, dass ich dich mit Mademoiselle Childers bekannt mache, der Frau, die ihre Jungfräulichkeit an Gabriel verkauft hat. Delaney, Sie haben sicher schon von Gabriel und Michel gehört, les deux anges ; sie sind wirklich recht schön, nicht wahr? Obwohl Michael leider inzwischen Narben hat.«
    Das Arbeitszimmer mit seinen Bücherregalen schrumpfte zu einer kleinen Dachkammer, das goldgeprägte Leder wurde zu mattgrauen Ketten.
    Delaneys Blick schoss nervös von Mann zu Mann, Frau zu Mann, mit der rechten Hand umklammerte er eine Pistole mit Perlmuttgriff. Sein Haar war schwarz und glänzte vor Makassaröl; sein schmaler Schnäuzer kräuselte sich zu einem ständigen Grinsen. Im Gegensatz zu dem zweiten Mann hatte er nicht mit den beiden Engeln gerechnet.
    Hinter ihm spürte Gabriel, wie es in Michaels Kopf arbeitete. Er merkte genau, wann Michael klar wurde, wer der zweite Mann war.
    »Du hast erraten, wer mein Vater ist, mon cousin «, sagte der zweite Mann mit unverhohlener Freude.
    »William Sturges Bourne«, sagte Michael ausdruckslos.
    Der Earl of Granville.
    Gabriel hatte ihn vor sechs Monaten getötet.
    »Dein Onkel«, bestätigte der zweite Mann aalglatt.
    Dieser Onkel hatte Michaels Leben zerstört und dann seinen Sohn geschickt, um Gabriels Leben zu zerstören. All das nur wegen der unschuldigen Liebe, die zwei dreizehnjährige Jungen füreinander hegten.
    Violettblaue Augen prallten auf violettblaue Augen.
    »Ich bezeichne William Sturges Bourne nicht als Verwandten«, sagte Michael verächtlich.
    Ein Scheit sackte im Kamin in sich zusammen; Funken sprühten den Kamin hinauf.
    Das Grinsen wich nicht aus dem Gesicht, das ein etwas jüngeres Ebenbild von Michael, nur ohne Narben, war. »Und dennoch hast du seinen Titel geerbt, den des Earl of Granville.«
    Ein Titel, den Michael nicht in Anspruch genommen hatte.
    Gabriels Finger umklammerten den Silberknauf seines

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