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Abgrund der Lust

Abgrund der Lust

Titel: Abgrund der Lust Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Schone
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dich töten. Oder vielleicht auch nicht. Vielleicht hätte mein Vater mich dir übergeben. Das hatte er dir jedenfalls versprochen, nicht wahr?« Yves zuckte die Achseln; die Messerklinge rutschte über Victorias blutige Wange. » C'est la vie . Mein Vater hinterlegte einen Brief bei seinem Anwalt. Er war sich darüber im Klaren, dass er sterben würde, und traf Vorkehrungen. Für den Fall, dass er – sagen wir, vorzeitig – sterben sollte, versprach er mir ein eindrucksvolles Vermögen, wenn ich euch beide töte.«
    »Ich habe mehr Geld, als mein Onkel je besessen hat«, stellte Michael fest; die Bestechung war klar herauszuhören.
    Er würde seinen Reichtum für drei Leben geben.
    Dieses Angebot entsprang Michaels Harmlosigkeit.
    Gabriel wusste es besser.
    Leises Lachen zerzauste Victorias kupferfarbenes Haar. »Und da dir bald Annes Geld zur Verfügung steht, würdest du es nicht einmal vermissen, nicht wahr, mon cousin ?«
    Das Lachen blutete dem zweiten Mann aus Stimme und Augen. »Mein Vater hat mir viele wertvolle Lektionen erteilt, Michael. Unter seiner Anleitung habe ich gelernt, dass eine Kugel töten kann, aber dass dieser Tod nicht annähernd so befriedigend ist wie der Tod, der aus der Zerstörung der Seele erwächst. Reichtum hält diesem Vergleich nicht stand. Gabriel, du hast mir ungeheure Befriedigung verschafft, viel mehr als das Geld, das mein Vater mir bezahlt hat. Ich wusste, dass die Begierde, die ich in dir geschürt habe, an dir nagen würde, an dir, der nie wirklich Begierde verspürt hatte. Du warst immer so unberührbar, mon ange , trotzdem habe ich dich berührt. Und jetzt hat diese Frau dich berührt.
    Wie wäre es, wenn Michael dich berühren würde, frage ichmich? Würdest du steif werden, wie du es bei mir wurdest? Würdest du schreien, wie du es bei mir getan hast?
    Du willst wissen, warum ich dir eine Chance gebe, Gabriel? Ich sage dir, warum. In dir gibt es einen Kern, den noch niemand berührt hat, ich nicht, Michael nicht, Mademoiselle Childers nicht. Ich will sehen, was notwendig ist, um diesen Kern aufzubrechen. Ich will es jetzt sehen.
    Die Entscheidung liegt bei dir, Gabriel. Ich zähle bis drei, wenn du dich dann nicht entschieden hast, entscheide ich für dich. Eins …«
    Gabriel spürte eine Bewegung; er konnte den Blick nicht von Victoria und dem Ende abwenden, das er ihr gebracht hatte.
    »Zwei …«
    Sie hatte nicht verdient zu sterben, weil sie einen Engel berührt hatte.
    Er hatte nicht verdient vergewaltigt zu werden, weil er einen Jungen mit violettblauen Augen geliebt hatte.
    Michael hatte nicht verdient, dass sein Onkel jeden tötete, den er je geliebt hatte.
    »Drei …«
    Gabriel spürte mehr als er sah, dass Michael zu ihm trat.
    Er stand an Gabriels Seite, wie er immer an seiner Seite gestanden hatte.
    Michael stand jetzt vor ihm. Er traf die Entscheidung, die Gabriel nicht treffen konnte.
    »Gabriel, mon ami «, sagte Michael sanft; sein nach Brandy riechender Atem war eine Liebkosung.
    Narbige Finger legten sich auf Gabriels Wange; verbrannte Daumen strichen brennende Tropfen unter Gabriels Augen fort.
    Die Augen eines Toten. Aber Tote weinten nicht.
    » Il est bien , Gabriel«, raunte Michael; der Brandy-Atem stopfte ihm die Lungen. »Schon gut, mein Freund.«
    Gefühle flackerten in Michaels violettblauen Augen auf: Bedauern mit der Frau, die er in zwei Tagen heiraten wollte; Mitleid mit Gabriel und der Entscheidung, die er nicht zu treffen vermochte: zwischen der Liebe eines Freundes und der Liebe einer Frau.
    Ein winziges Gesicht überlagerte das Bedauern, das Mitleid und die Liebe.
    Gabriels Gesicht. Michaels Augen.
    Blütenweiche Lippen berührten blütenweiche Lippen.
    Der Kuss eines Engels.

Kapitel 25
    Schmerz. Angst.
    Wut.
    Trauer.
    Widerstreitende Gefühle wallten in Victoria hoch, bis nur noch Raum war für Rage.
    Sie würde nicht zulassen, dass dieses Ungeheuer Gabriel zerstörte.
    Sie würde Gabriel nicht sterben lassen.
    Und er würde sterben.
    Wenn Michael mit ihm täte, was der zweite Mann – Yves – ihm angetan hatte, würde er sterben.
    Und es gäbe keine Möglichkeit, je wieder den Jungen zu erreichen, der ein Engel hatte sein wollen.
    »Nein!« Das Seidentuch schluckte ihren Protest.
    Victoria warf den Kopf zurück, dass er in das Gesicht des Mannes prallte, der sie festhielt. Das Krachen von Knochen auf Knochen hallte durch die Luft. Gleichzeitig schleuderte Gabriel quer durch das Arbeitszimmer und prallte gegen eine

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