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Abgrund der Lust

Abgrund der Lust

Titel: Abgrund der Lust Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Schone
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Michael bei der Erwähnung von Anne erstarrte. »Aber Mademoiselle Childers' dunkelblaue Augen sind recht eindrucksvoll und ihr Haar ist prachtvoll, wenn es gewaschen ist. Sie ist intelligent – eine Frau, die nicht intelligent wäre, würde dich bald langweilen –, das war also eine unverzichtbare Voraussetzung. Und von der Farbe einmal ganz abgesehen, betteln ihre Augen förmlich danach, sie zu ficken, stimmt's? Das war wesentlich wichtiger als die Farbe. Es war notwendig, Gabriel, eine Frau zu finden, die nach der Berührung eines Mannes lechzte. Aber du brauchtest auch eine Frau, die sich gerade gut genug auf der Straße auskannte, um Mitleid mit deiner Vergangenheit zu haben, allerdings nicht so gut, dass es sie unempfänglich für die Geschichte eines Bettlerjungen gemacht hätte, der ein Engel sein wollte.«
    Victoria versteifte sich abwehrend bei Yves Worten; Gabriel betete, dass sie still hielte.
    Er würde sie nicht sterben lassen. Aber er konnte den zweiten Mann nicht hindern, sie zu töten.
    Er würde Michael nicht sterben lassen. Aber er wusste auch nicht, ob er seinen Tod würde verhindern können.
    »Woher wissen Sie, dass ich Michaels Frau mag?«, forderte Gabriel ihn heraus, um Zeit für Victoria, für Michael zu schinden. Wohl wissend, dass seine Zeit abgelaufen war.
    Yves schnupperte an Victorias Haar; Victoria schaute weiter unverwandt Gabriel an. »Sie riecht nach dir, Gabriel. Nach deiner Seife. Deiner Begierde.«
    Gabriels Finger legte sich fester um den Abzug. Es bedurfte nur einer einzigen Kugel …
    Würde Victoria vor oder nach dem zweiten Mann sterben?
    Yves hob den Kopf. »Ich weiß, dass du etwas für Anne übrig hast, Gabriel, weil ich dir gefolgt bin. Ich bin dir gefolgt, als du Michael bewacht hast; ich bin dir gefolgt, als du Anne in dieses billige Café geführt hast. Ich war im Haus meines Vaters, als du ihn getötet hast. Michael hat mich in jener Nacht gespürt, nicht wahr, Michael?«
    Beute und Raubtier.
    Gabriel brauchte Michaels Narben nicht zu sehen, um zu wissen, dass sie vor Anspannung weiß waren. »Ich wusste nicht, dass Sie es waren.«
    »Nein, natürlich nicht, wie solltest du auch, mon cousin ?«, erwiderte Yves. »Du wusstest ja gar nicht, dass es mich gibt. Gabriel konnte es dir ja nicht gut erzählen, nicht wahr? Du dachtest, Gabriel hasse dich, weil mein Vater einen Mann angeheuert hat, um ihn zu vergewaltigen; das war nicht so. Mein Vater hat mich in Wahrheit angeheuert, um Gabriel zu töten; das hätte dir wehgetan, Michael, und das war alles, wofür mein Vater gelebt hat, dir wehzutun. Verständlich. Schließlich war er deinetwegen zum Krüppel geworden. Allerdings konnte ich Gabriel nicht widerstehen, so vollkommen, so schön, so liebeshungrig. Ich habe ihn vergewaltigt, Michael. Gabriel hasste dich, weil er jedes Mal, wenn er dich anschaute, mich sah. Und er erinnerte sich, dass er mich angebettelt hatte … n'arrête pas  … nicht aufhören.
    Und jetzt nimm die Patronen aus dem Revolver, Gabriel, mon ange , und wirf die Waffe vorsichtig in meine Richtung, sonst ritzeich Mademoiselle Childers weiter den Buchstaben b auf die Wange – b, weil ich dich zum Betteln gebracht habe.«
    Blaue Augen schauten fest in silberne, während Victoria die Vergangenheit des Mannes verarbeitete, den sie zu erlösen versucht hatte. Gabriel konnte nicht atmen. Er hatte gedacht, die Wahrheit würde ihn umbringen, und das hatte sie auch getan. Gabriel leerte die Patronentrommel; Kugeln regneten auf den Teppich.
    »Wirf die Waffe vor meine Füße.«
    Gabriels Finger umklammerten den Rosenholzgriff.
    »Vorsichtig, Gabriel.«
    Frisches Blut tropfte Victorias Wange hinunter. Aus ihren Augen sprach die Erkenntnis, dass sie zur Waffe geworden war.
    Vielleicht war es auch die Erkenntnis, was für ein Mensch er war.
    Gabriel warf die Waffe; sie landete auf dem Teppich, rutschte an dem Stock mit dem silbernen Knauf vorbei, an der rotweißen Pfefferminzdose und verschwand unter dem Schreibtisch.
    »Was wollen Sie?«, fragte er gepresst.
    Was konnte er von zwei Engeln wollen, dass er derart ausgeklügelte Pläne geschmiedet hatte?
    »Ich will, dass du Michael erzählst, warum du ihn hasst«, sagte Yves.
    Die Spannung zwischen Gabriels Schultern wuchs.
    Er konnte es Michael nicht sagen. Nicht einmal, um ihn zu retten, konnte Gabriel es ihm sagen.
    Er konnte dem Jungen, den er wie einen Bruder geliebt hatte, nicht sagen, dass Gabriels Körper ihn verraten hatte. Er konnte Michael nicht

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