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Abgrund: Roman (German Edition)

Abgrund: Roman (German Edition)

Titel: Abgrund: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Watts
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von Parasiten bedroht werden, entwickeln zufällige Substring-Austausch-Protokolle, die sich als Funktion zwischen dem Verhältnis der Wellenlänge des Wirts und den Sigmoidfunktionen des Parasiten darstellen.‹ Oder etwas in der Art.«
    Caraco blickt Clarke an und dann wieder Brander. »Wie bitte?«
    »Leben entwickelt sich. Parasiten entwickeln sich. Sex entsteht als Gegenmittel gegen die Parasiten. Die geschlechtliche Vermehrung sorgt für eine Durchmischung der Gene, um es den Parasiten schwer zu machen. Alles andere – Artenvielfalt, Dichteabhängigkeit und so weiter – folgt aus diesen drei Gesetzen. Wenn ein selbstreplizierender Strang einen bestimmten Grenzwert überschreitet, ist das wie eine Kernreaktion.«
    »Das Leben explodiert«, murmelt Clarke.
    »Eigentlich ist es eher die Information, die explodiert. Die Entwicklung des organischen Lebens geht noch vergleichsweise langsam vonstatten. Im Netz ist das Ganze deutlich schneller abgelaufen.«
    Caraco schüttelt den Kopf. »Und? Wollen Sie damit sagen, Sie sind hier heruntergekommen, um den Viren im Internet zu entgehen?«
    »Ich bin hier heruntergekommen, um der Entropie zu entgehen.«
    »Ich glaube«, schaltet sich Clarke ein, »Sie haben eine dieser Sprachstörungen. Dyslexie oder so was.«
    Doch Brander kommt jetzt erst richtig in Fahrt. »Haben Sie schon einmal etwas von ›fortschreitender Entropie‹ gehört? Alles löst sich irgendwann einmal auf. Man kann diesen Prozess eine Zeitlang verzögern, doch dazu muss Energie aufgewendet werden. Je komplexer das System, desto mehr Energie benötigt es, um nicht auseinanderzufallen. Bevor es uns gab, wurde alles mit Sonnenenergie betrieben. Die Pflanzen waren wie kleine Solarzellen, auf denen alles andere aufbaute. Nur dass wir jetzt eine Gesellschaft haben, deren Komplexität exponenziell zunimmt. Und mit dem Netz ist es das Gleiche, nur dass dessen Exponentialkurve noch steiler verläuft, richtig? Wir sitzen also alle in dieser außer Kontrolle geratenen Maschine, die so komplex geworden ist, dass sie ständig auseinanderzufliegen droht, und das Einzige, was sie daran hindert, sind die Energiemengen, mit der wir sie ständig füttern.«
    »Schlechte Neuigkeiten«, sagt Caraco. Clarke glaubt allerdings, dass sie den Kern der Sache nicht wirklich begriffen hat.
    »Eigentlich eher gute Neuigkeiten. Die Gesellschaft braucht immer neue Energie, also wird sie auch uns immer brauchen. Selbst wenn es ihnen jemals gelingen sollte, die Kernfusion zu meistern.«
    »Ja, aber …« Caraco runzelt plötzlich die Stirn. »Wenn Sie sagen, die Entwicklung verläuft exponenziell, dann stößt sie doch irgendwann an ihre Grenze, nicht wahr? Die Kurve geht immer weiter hoch und fällt dann plötzlich ab.«
    Brander nickt. »Ja.«
    »Aber das bedeutet Unendlichkeit. Wir können nicht verhindern, dass die Dinge auseinanderfallen, ganz egal, wie viel Energie wir produzieren. Es wird niemals genug sein. Früher oder später …«
    »Eher früher als später«, sagt Brander. »Und deshalb bleibe ich hier unten. Wie schon gesagt, hier ist es sicherer.«
    Clarke blickt zwischen Brander und Caraco hin und her. »Das ist doch alles Schwachsinn.«
    »Wie meinen Sie das?« Brander klingt nicht beleidigt.
    »Weil wir sonst schon längst davon gehört hätten. Besonders wenn das Ganze auf physikalischen Gesetzen beruht, die allgemein bekannt sind. So etwas kann die Netzbehörde nicht unter dem Deckel halten, die Menschen würden selbst darauf kommen.«
    »Oh, ich glaube, das sind sie schon«, sagt Brander leise und lächelt ihr aus nackten braunen Augen zu. »Sie möchten nur lieber nicht allzu viel darüber nachdenken.«
    »Wo sind Sie auf all das gestoßen, Mike?«, fragt Clarke. »In der Bibliothek?«
    Er schüttelt den Kopf. »Ich habe einen Abschluss in Systemökologie und künstlichem Leben.«
    Clarke nickt. »Ich war schon immer der Meinung, dass Sie für einen Rifter viel zu schlau sind.«
    »He, im Augenblick ist es das Schlauste überhaupt, ein Rifter zu sein.«
    »Sie sind also freiwillig hier heruntergekommen? Sie haben sich tatsächlich beworben?«
    Brander runzelt die Stirn. »Klar. Sie etwa nicht?«
    »Ich habe einen Anruf bekommen. Man hat mir eine neue hochbezahlte Karriere angeboten. Sie haben mir sogar versprochen, ich könnte in meinen alten Job zurückkehren, wenn mir die Arbeit nicht gefällt.«
    »Was haben Sie vorher gemacht?«, fragt Caraco.
    »Öffentlichkeitsarbeit. In erster Linie für das

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