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Abgrund: Roman (German Edition)

Abgrund: Roman (German Edition)

Titel: Abgrund: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Watts
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offensichtlich, dass er diesen Ort zum ersten Mal sieht. Und Lubin … »Ich war noch nie hier«, erwidert Lubin laut, so undurchsichtig wie eh und je.
    »Es ist phantastisch«, sagt Brander. »Wie lange sind wir jetzt schon hier unten? Bisher wussten wir nicht einmal, dass dieser Ort existiert …«
    Abgesehen von Gerry vielleicht . Hin und wieder ist auf Beebes Echolot in dieser Richtung jemand zu sehen, obwohl die Positionen aller anderen Mannschaftsmitglieder bekannt sind. Eigentlich schwimmt er nie so weit raus, doch wer weiß schon, was für Kreise Fischer – oder was immer aus ihm geworden ist – inzwischen zieht?
    Brander löst sich von seinem Tintenfisch und lässt sich nach unten sinken, einen Arm ausgestreckt. Clarke sieht, wie er etwas vom Boden aufhebt. Ein schwaches Prickeln trübt einen Moment lang ihren Verstand – das undefinierbare Gefühl eines anderen Verstandes in ihrer Nähe –, und dann ist sie an ihm vorbei, während ihr eigener Tintenfisch sie weiter voranträgt.
    »He, Len«, hört sie Branders surrende Stimme hinter sich. »Schauen Sie sich das mal an.«
    Sie drückt auf die Bremse und wendet. Auf Branders Handfläche befindet sich ein gläsernes Geschöpf mit vielen Gliedmaßen. Ein wenig ähnelt es der Garnele, die Acton gefunden hat, damals als …
    »Tun Sie ihm nichts«, sagt sie.
    Branders maskenhaftes Gesicht blickt sie an. »Warum sollte ich ihm etwas tun? Ich wollte mir nur seine Augen ansehen.«
    Brander strahlt etwas Merkwürdiges aus. Als sei er nicht mit sich selbst im Einklang, als würde sein Gehirn auf zwei Frequenzen gleichzeitig senden. Clarke schüttelt den Kopf, und das Gefühl ist wieder verschwunden.
    »Es hat gar keine Augen«, sagt sie und betrachtet das Tier.
    »Klar hat es welche. Nur nicht am Kopf.«
    Brander dreht das Tier um und hält es mit Daumen und Zeigefinger auf seine Handfläche gedrückt. Reihen von Gliedmaßen – Beine vielleicht oder Kiemen – strampeln nutzlos auf der Suche nach Halt im Wasser. Zwischen ihnen, an den Stellen, wo die Gelenke mit dem Körper verbunden sind, blicken winzige schwarze Kügelchen zu Lenie Clarke hoch.
    »Seltsam«, sagt sie. »Es hat Augen am Bauch .«
    Wieder spürt sie es: das seltsame, beinahe prismenartige Gefühl eines gespaltenen Bewusstseins.
    Brander lässt das Geschöpf los. »Durchaus sinnvoll. Schließlich kommt an diesem Ort alles Licht von unten.« Plötzlich blickt er Clarke an und strahlt dabei Verwirrung aus. »He, Len, geht es Ihnen gut?«
    »Ja, alles in Ordnung.«
    »Sie wirken irgendwie …«
    »Gespalten«, sagen sie gleichzeitig.
    Plötzliche Erkenntnis. Sie weiß nicht, wie viel davon ihre eigene ist, und wie viel von Brander ausgeht, doch unvermittelt wissen sie beide Bescheid.
    »Es ist noch jemand hier«, sagt Brander unnötigerweise.
    Clarke schaut sich um. Lubin . Sie sieht ihn nicht mehr.
    »Verdammt. Glauben Sie, es ist endlich passiert?« Brander lässt den Blick ebenfalls durch das Wasser gleiten. »Glauben Sie, der alte Ken ist nun auch in der Lage, eine Verbindung zu uns herzustellen?«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Wer kann es sonst sein?«
    »Keine Ahnung. Wer ist außer uns noch hier draußen?«
    »Mike. Lenie.« Lubins Stimme, ganz schwach, irgendwo vor ihnen.
    Clarke wirft Brander einen Blick zu, den dieser erwidert.
    »Wir sind hier«, ruft Brander und dreht die Lautstärke seines Stimmwandlers hoch.
    »Ich habe es gefunden«, sagt Lubin, unsichtbar in der Ferne.
    Clarke schwimmt vom Meeresboden hoch und greift nach ihrem Tintenfisch. Brander ist direkt neben ihr, hat die Echolotpistole hervorgeholt und bestimmt ihre Position. »Ich habe ihn«, sagt er nach einer Weile. »Dort entlang.«
    »Können Sie sonst noch etwas erkennen?«
    »Ich weiß nicht. Es ist jedenfalls ziemlich groß. Drei oder vier Meter. Und aus Metall.«
    Clarke drückt auf den Gashebel. Brander folgt ihr. Ein Sturm aus gebrochenen Farben wirbelt unter ihnen vorbei.
    »Dort.«
    Vor ihnen wird der Meeresboden von einem Netz aus grünem Licht in einzelne Vierecke unterteilt.
    »Was …«
    »Laserstrahlen«, sagt Brander, »glaube ich.«
    Smaragdgrüne Fäden schweben schnurgerade einige Zentimeter über dem Meeresboden, eine Vielzahl von leuchtenden rechten Winkeln. Darunter verlaufen graubraune Metallrohre über dem Felsgestein, aus denen in regelmäßigen Abständen winzige Prismen wie Stacheln ragen. Jedes der Prismen bildet einen Spalt, aus dem jeweils vier gebündelte Lichtstrahlen strömen. Das

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