Abgrund: Roman (German Edition)
enden«, sagt Scanlon bittend.
Und dann: »Ich wollte nicht … Ich meine, ich habe nicht …«
Und dann nur noch: »Es tut mir leid. Es tut mir leid …«
Und dann gar nichts mehr außer Dunkelheit.
Schließlich gehen die Lichter wieder an. Beebe piept beruhigend auf dem der Station zugewiesenen Kanal. Gerry Fischer ist inzwischen verschwunden; Scanlon weiß nicht, wann er davongeschwommen ist.
Er ist sich nicht einmal sicher, ob die anderen wirklich jemals da gewesen sind. Er schwimmt allein zur Station zurück.
Wahrscheinlich haben sie mich nicht gehört. Jedenfalls nicht wirklich. Und das ist schade, denn am Ende hat er tatsächlich einmal die Wahrheit gesagt.
Er wünschte, er könnte Mitleid für sie empfinden. Das sollte ihm eigentlich nicht schwerfallen. Sie verstecken sich in der Dunkelheit und hinter ihren Augenkappen, als sei Photocollagen eine Art Allzwecknarkotikum. Sie haben das Mitleid echter Menschen verdient. Doch wie kann man jemanden bemitleiden, dem es irgendwie besser geht als einem selbst? Der auf irgendeine abartige Weise glücklich zu sein scheint?
Wie kann man jemanden bemitleiden, vor dem man sich fürchtet?
Außerdem haben sie die ganze Zeit gemacht, was sie wollten. Ich hatte keinerlei Kontrolle über sie. Habe ich überhaupt irgendeine echte Entscheidung getroffen, seit ich hier heruntergekommen bin?
Sicher. Ich habe Fischer losgelassen, und sie haben mir dafür mein Leben geschenkt.
Yves Scanlon fragt sich kurz, wie er das wohl im offiziellen Bericht unterbringen soll, ohne sich völlig zum Narren zu machen.
Doch am Ende ist es ihm eigentlich egal.
OFFI/ÜBERTR/300850:1043
Vor Kurzem habe ich Beweise dafür gefunden, dass … Ich meine, ich glaube …
Das Verhalten der Mannschaft der Station Beebe ist äußerst …
Kürzlich habe ich ein aufschlussreiches Gespräch mit dem Personal der Station geführt. Es ist mir gelungen, eine offene Konfrontation zu vermeiden, obwohl …
Ach, verdammt!
T minus zwanzig Minuten, und abgesehen von Yves Scanlon ist die Station verlassen.
So ist es auch während der letzten Tage gewesen. Die Vampire kommen nur noch selten ins Innere der Station. Vielleicht schließen sie ihn absichtlich aus. Oder sie kehren einfach nur zu ihrem natürlichen Zustand zurück. Er weiß es nicht.
Aber es kümmert ihn nicht mehr. Inzwischen haben sich beide Seiten ohnehin nicht mehr viel zu sagen.
Das Shuttle sollte bald hier sein. Scanlon nimmt all seinen Mut zusammen: Wenn sie kommen, um ihn abzuholen, werden sie ihn nicht in seiner Kabine versteckt vorfinden. Er wird im Aufenthaltsraum sein, für jedermann sichtbar.
Er holt tief Luft, hält den Atem an und lauscht. Die Station um ihn herum ist von einem Knarren und Tropfen erfüllt. Sonst ist nichts zu hören.
Er steht von seiner Pritsche auf und legt ein Ohr an die Schottwand. Nichts. Er entriegelt die Kabinenluke, schiebt sie einige Zentimeter auf und wirft einen Blick hinaus.
Nichts.
Sein Koffer ist schon seit Stunden gepackt. Er hebt ihn vom Deck hoch, schwingt die Luke ganz auf und schreitet entschlossen den Korridor entlang.
Er sieht den Schatten, kurz bevor er den Aufenthaltsraum betreten will – eine undeutliche Silhouette, die an die Schottwand geworfen wird. Ein Teil von ihm will sich umdrehen und in seine Kabine zurücklaufen, doch dieser Teil ist inzwischen deutlich kleiner geworden als früher. Größtenteils ist er einfach nur müde. Er macht einen Schritt nach vorn.
Lubin wartet dort reglos neben der Leiter. Mit Augen aus massivem Elfenbein starrt er durch Scanlon hindurch.
»Ich wollte mich von Ihnen verabschieden«, sagt er.
Scanlon lacht. Er kann nicht anders.
Lubin mustert ihn ungerührt.
»Es tut mir leid«, sagt Scanlon. Ihm ist nicht im Geringsten nach Lachen zumute. »Es ist nur so … Sie haben mich nicht einmal begrüßt, als ich hier angekommen bin, wissen Sie?«
»Ja«, sagt Lubin. »Nun ja.«
Irgendwie wirkt er dieses Mal nicht bedrohlich. Scanlon weiß nicht recht, warum. Lubins Personalakte ist immer noch voller Lücken, und um Galapagos ranken sich Gerüchte. Selbst die anderen Vampire halten Abstand zu ihm. Doch davon ist im Augenblick nichts zu bemerken. Lubin steht einfach nur da und verlagert das Gewicht von einem Bein auf das andere. Er wirkt beinahe verletzlich.
»Sie holen uns also vorzeitig zurück«, sagt er.
»Ehrlich gesagt weiß ich das nicht. Es ist nicht meine Entscheidung.«
»Aber die haben Sie … als Wegbereiter hier heruntergeschickt. So
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