Abgrund: Roman (German Edition)

Titel: Abgrund: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Watts

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NB an und frage nach, was, zum Teufel, hier vorgeht …«
    Dreißig Sekunden später drehte er sich wieder zu ihr um. »Woher haben Sie das gewusst?«
    »Ich habe geraten.« Sie lächelte nicht.
    »Die Anzeige leuchtet grün, aber ich kann niemanden erreichen. Wir sind taub.« Irgendwo in seinem Hinterkopf machten sich Zweifel breit. »Es sei denn, das Gel hat eine Verbindung und wir aus irgendeinem Grund nicht.« Er klinkte sich in das Interface des Lifters ein und rief die afferente Matrix des Gefährts auf. »Hm. Was haben Sie gleich noch einmal darüber gesagt, dass wir Befehle von Maschinen entgegennehmen?«
    Das weckte Clarkes Aufmerksamkeit. »Was ist los?«
    »Der Lifter hat seine Befehle über das Netz erhalten.«
    »Ist das nicht riskant? Warum setzt die NB sich nicht direkt mit ihm in Verbindung?«
    »Ich weiß es nicht. Der Lifter ist im Augenblick genauso abgeschnitten wie wir, doch die letzte Nachricht kam von diesem Knoten hier. Mist, das ist auch ein Gel.«
    Clarke beugte sich vor und vermied es dabei trotz des beengten Raums irgendwie, ihn zu berühren. »Woher wissen Sie das?«
    »Die Adresse des Knotens. BCB steht für biochemisches Bewusstsein.«
    Die Anzeige piepte zweimal laut.
    »Was ist das?«, fragte Clarke.
    Sonnenlicht flutete vom Ozean herauf. Das Wasser leuchtete in einem tiefen, grellen Blau.
    »Was, zum Teufel …«
    Die Kabine wurde vom Schrillen des Computers erfüllt. Die Anzeige des Höhenmessers leuchtete purpurrot auf und fiel dann senkrecht ab. Wir stürzen, dachte Joel und dann: Nein, das kann nicht sein. Es gibt keine Beschleunigung.
    Der Ozean steigt an …
    Auf der Anzeige tobte ein Wirbelsturm aus Daten, zu schnell, als dass das menschliche Auge ihm folgen konnte. Irgendwo über ihnen ging das Gel fieberhaft sämtliche Möglichkeiten durch, die ihm verblieben waren, um sie am Leben zu erhalten. Ein plötzlicher Ruck: Joel griff nach der nutzlosen Steuerung des Tauchboots und hielt sich daran fest. Aus den Augenwinkeln sah er, wie Clarke gegen die hintere Schottwand geschleudert wurde.
    Der Lifter stieg in den Himmel auf, während sein Rumpf von Blitzen umzuckt wurde. Der Ozean folgte ihm, eine riesige leuchtende Ausstülpung, die immer weiter anwuchs und sich der Luke im Bauch des Tauchboots näherte. Vor Joels Augen wurde das Leuchten immer heller. Blau verwandelte sich in Grün und dann in Gelb.
    Und wurde schließlich zu Weiß.
    Ein Loch öffnete sich im Pazifik, und in seiner Mitte ging die Sonne auf. Joel riss die Hände vors Gesicht und sah die Silhouetten seiner Fingerknochen durch das orangefarbene Fleisch hindurchscheinen. Der Lifter trudelte wie ein Spielzeug, dem jemand einen Tritt versetzt hatte, stieg auf einer Dampfsäule auf und bohrte sich tief in den Himmel hinein. Die Luft draußen war von Kreischen erfüllt. Und auch der Lifter kreischte und schlitterte weiter voran.
    Aber er zerbrach nicht.
    Nach endlosen Sekunden richtete sich sein Kiel schließlich wieder auf. Die Anzeigen leuchteten immer noch. Atmosphärische Störung, stand dort, in Richtung eins zwanzig, inzwischen schon wieder acht Kilometer entfernt. Joel blickte durch die Steuerbordluke hinaus. In der Ferne stürzte der glühende Ozean langsam wieder in sich zusammen. Ringförmige Wellen breiteten sich unter seinen Füßen aus und eilten dem Horizont entgegen.
    Vom Epizentrum stiegen Kumuluswolken wie weiche graue Bohnenstangen in den Himmel auf. Gegen die Dunkelheit betrachtet, wirkten sie beinahe friedlich.
    »Clarke«, sagte er, »wir haben es überstanden.«
    Er drehte sich in seinem Stuhl um. Die Rifterin kauerte wie ein Fötus zusammengerollt an der Schottwand und rührte sich nicht.
    »Clarke?«
    Doch es war nicht Clarke, die ihm antwortete. Das Interface des Lifters gab wieder ein Piepsen von sich.
    Nicht registrierter Kontakt, beschwerte es sich.
    Position 125×87 V1440ΔV5,8m · Sek – 2 Entfernung
    13000m
    12000m
    Kollision steht unmittelbar bevor
    11000m
    10000m

    Durch die Hauptsichtluke tauchte kaum erkennbar ein weißer, verschwommener Punkt auf, der einen Moment lang in großer Höhe von einem Strahl der Morgensonne erfasst wurde. Es sah aus wie ein Kondensstrahl von vorn betrachtet.
    »Oh, Mist«, sagte Joel.

Jericho
    Die gesamte Wand war ein Fenster. Dahinter breitete sich die Stadt aus wie der Arm einer Galaxie. Patricia Rowan verriegelte die Tür hinter sich und sank plötzlich ermattet dagegen.
    Noch nicht. Noch nicht. Aber bald.
    Sie ging durch ihr Büro und schaltete