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Abonji, Melinda Nadj

Abonji, Melinda Nadj

Titel: Abonji, Melinda Nadj Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tauben flieggen auf
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vollgepackt haben, und
bevor wir das Tor öffnen, macht Tante Icu eine gebieterische Handbewegung zu
den Hunden hin, damit sie es nicht wagen, an ihrem Zwinger hochzuspringen und
zu bellen, sondern sich mit eingezogenen Schwänzen in ihre Hütten verziehen.
    Kaum haben wir das Haus
verlassen, haken sich Tante Icu und Mutter ein, fangen an, gedämpft miteinander
zu reden, als hätten sie tagelang auf diesen Moment gewartet, und Nomi und ich,
wir trippeln hinter ihnen her, lauern darauf, einen Fetzen ihres Gesprächs
aufzuschnappen, Nomi, die jetzt offensichtlich aufgewacht ist, fragt, könnt
ihr nicht ein bisschen lauter reden? Nein, antwortet Tante Icu und dreht den
Kopf nicht einmal zu uns, ihr müsst nicht alles wissen, und das Wichtigste
werdet ihr noch früh genug erfahren! Nomi ärgert sich, flüstert mir zu, dass
die beiden ihre Hintern so einmütig schwenkten, als seien sie siamesische
Zwillinge, und Nomi steckt mich mit ihrem Lachen an, aber schon bleiben die
beiden stehen, und Mutter sagt verärgert über ihre Schulter hinweg, ihr seid zu
alt, um so blöd zu kichern wie kleine Mädchen! Aber zu jung, um alles wissen zu
dürfen, denke ich, und Nomi und ich, wir imitieren Mutter und Tante Icu in
ihrem Gang, schneiden Faxen, verständigen uns mit Handzeichen, tun also genau
das, was bescheuerte kleine Mädchen tun, einfach deshalb, weil wir zu gern mehr
wüssten über Csilla, unsere Cousine, über die sich Mutter und Tante Icu
garantiert unterhalten.
    Was, unsere Csilla?, sagte
Mutter vor ein paar Monaten am Telefon, als Tante Icu sie von der Post aus
anrief, völlig aufgelöst, weil Csilla mit irgendeinem Kerl abgehauen sei, sie
habe nichts mitgenommen, nicht einmal Wäsche, und niemand wisse, wo sie sei.
Onkel Piri, der daraufhin durchstartete und tagelang nüchtern blieb, kein Wort
mehr redete, sich dann am Abend des Sankt Josef an den Küchentisch setzte,
abwechslungsweise Brot und Speck auf die Klinge seines Klappmessers legte, so
ein halbes Brot und ein grosses Stück Speck ass, und nachdem er fertiggegessen
und ein Glas Soda getrunken hatte, verkündete er, er werde Csilla eigenhändig
und schneller als jeder dummen Gans den Hals umdrehen, wenn sie sich hier, in
seinem Haus, wieder blicken lasse. Über mehr als sieben Ecken hat Tante Icu
erfahren, wo Csilla steckt, hat sie aufgesucht, sie angefleht, zurück zu
kommen, sie solle ihren Vater um Verzeihung bitten, dann werde alles wieder
gut. Aber die ist stur wie ein Bock, sagte Tante Icu, und Mutter konnte fast
nicht auflegen, obwohl Tante Icu nichts anderes mehr tat als heulen, Mutter,
die ihr versprechen musste, dass sie mit Csilla reden werde, das nächste Mal,
wenn wir kämen, und das sei ja schon bald, auf dich wird sie hören, ganz
bestimmt!
    Csilla haut mit ihrem
Liebhaber ab. Na und?, was ist daran so schlimm?, in unserer Verwandtschaft ist
das ja schon einmal vorgekommen, das hast du uns doch erst kürzlich erzählt,
sagten Nomi und ich einstimmig, als Mutter lange nachdenklich aufs Telefon
schaute und ihre Hände auf den Tisch legte, als müsste sie sich versichern,
dass da, unter ihren Händen, wirklich ein Tisch war, und in unserem winzigen
Garten blühte der Forsythienstrauch, Mutter drehte ihren Kopf zum Fenster, zum
gelben Regen, wie Nomi und ich den Strauch auf Ungarisch nennen, und sagte
leise, habt ihr eine Ahnung, nein, ihr habt keine Ahnung, was das bedeutet, und
ich wünsche es euch auch nicht, aber wie soll ich euch das klarmachen, wie es
ist, wenn ein Vater so was sagt, er werde ihr den Hals umdrehen, seiner
Tochter!, ihr mit dem Schlimmsten droht, ihr könnt das nicht verstehen.
    Nomi und ich waren es gewohnt,
dass uns Vater mit Bruchstücken aus seiner Lebensgeschichte schachmatt setzte,
aber Mutter hatte uns oft vor Vater in Schutz genommen, lass sie doch in Ruhe,
du willst doch auch, dass sie ein besseres Leben haben als wir, Mutter, die uns
jetzt zum ersten Mal zu verstehen gab, wir hätten von gewissen Dingen, die sich
in unserer Heimat abspielen, keinen blassen Schimmer.
    Wir müssen doch fragen, wenn
wir keine Ahnung haben, sagte Nomi, oder kannst du mir sagen, was wir sonst tun
können?, und ich schaute zu Nomi, ich fühlte mich stolz und war überrascht,
weil sie so etwas Treffendes sagen konnte; Mutter, die sehr merkwürdig
antwortete, nämlich: Gut, ich werde euch etwas erzählen, aber ich rede zu den
Pflanzen da draussen. Und weil Mutter zu den Pflanzen redete und nicht zu uns,
schaute sie uns auch kein einziges Mal an,

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