Abonji, Melinda Nadj
euch
das an, sagt er, und wir versuchen, seinem Bück zu folgen, seinen blauen,
scharf gewetzten Augen, die nun das angemessene Faszinosum finden, seine
überraschend kleine Hand, die mit dem qualmenden Ende der Zigarette auf einen
Vogelschwarm zeigt, das sind zwar nur die hübschen Langweiler, sagt Bela, aber
gleich werdet ihr die Richtigen sehen, und wir wissen natürlich, wer die
Richtigen sind, nämlich seine Tauben, mit denen er seit Jahren fast jeden
Wettbewerb gewinnt, wisst ihr, ich hab schon aus Deutschland und England Besuch
bekommen, United
Kingdom! Ich
will nichts von denen, aber die wollen was von mir, na, was sagt ihr dazu?
Und weil Nomi und ich nicht
antworten, nichts zu sagen wissen, sagt Bela: Business is international — Was? Business is international, das wahre Geschäft kennt keine
Grenzen, merkt euch das, wenn du wirklich was drauf hast, dann kümmert's
niemanden, ob du im Osten oder im Westen dein Häuschen hast, unsere Väter, die
über die Politiker fluchen, wozu denn? Alles unwichtiger Scheiss, ihr werdet
sehen, wir sind jung, wir werden sie noch erleben, die Freiheit!, und Bela
stützt seinen Ellbogen in die linke Hand, raucht in den Himmel, formt mit
seinem prallen Mund Ringe, und wenn ihr das nächste Mal kommt, investieren bei
uns jede Menge ausländischer Firmen, und denen sind die Politiker so was von
egal, die business
men werden
entdecken, dass es bei uns etwas zu holen gibt, ihr werdet sehen!
Tante Icu wickelt ein paar
Frikadellen, die von gestern übriggeblieben sind, in eine Serviette, legt sie
in einen Korb, legt ein Stück Speck dazu, einen Laib Brot, ein gutes Dutzend
Rosenkartoffeln, gelbe und grüne Peperoni, was meinst du, soll ich noch ein
bisschen was von der Torte einpacken, fragt sie flüsternd, und meine Mutter
antwortet, etwas Süsses kann nie schaden, oder doch? Tante Icu lacht, tätschelt
ihren mächtigen Bauch, ich hab was zu tragen an mir!, und sie schneidet ein
grosses Stück von der Torte ab, legt es in eine Plastikschüssel, überdeckt sie
mit einem Suppenteller, schaut sich nochmals in ihrer Speisekammer um, was
könnten wir denn noch mitnehmen?, fragt sie, hängt den kleineren Knoblauchzopf
vom Nagel, verstaut ihn im Korb, so!, und jetzt noch Kaffee, Zucker und ein
Päckchen Rosenpaprika, dann können wir gehen.
Tante Icu, Mutter, Nomi und
ich haben was vor, und die Männer sollen ruhig ihren Rausch ausschlafen in den
oberen Zimmern, wie Tante Icu und Onkel Piri sagen, obwohl ihr Haus, wie alle
anderen Häuser in der Gegend, ebenerdig ist (und manchmal sehe ich sie
wirklich, wie sie Händchen haltend eine Treppe hochsteigen, um sich in ihren
oberen Gemächern hinzufläzen, wahrscheinlich sehe ich sie, weil ich Onkel Piri
unzählige Male darüber habe schwärmen hören, wie er das Haus irgendwann einmal,
in einer unglaublichen Aktion!, umbauen werde), die Männer schnarchen also in
den hinteren Zimmern, wo die Rollläden im Sommer tagsüber nie hochgezogen
werden, damit es schön kühl bleibt, und tut es trotzdem jemand, Tante Icu zum
Beispiel, dann will sie einen schweren Schädel ärgern, ihren Piri, der so viel
säuft, als wären seine Füsse immer am Verdursten, und wenn ihr Mann sich die
Hand schützend vor die Augen hält, damit sein Mund umso hemmungsloser wüste
Wörter speien kann, dann sagt Tante Icu gelassen, ab und zu brauchen meine
Pflänzchen ein bisschen Licht, ausserdem hast du mir versprochen, den Maschendraht
zu flicken, die Hühner picken mir meine Blumen weg! Ja, ja, und Onkel Piri
zieht sich die Decke über den Kopf, und die schmalen Füsse, die zum Vorschein
kommen, erzählen nichts darüber, dass da einer liegt, der so unglaublich viel
gesoffen hat.
Es ist kurz vor sechs, als
wir, in der Sommerküche stehend, einen Kaffee trinken, und Tante Icu zeigt auf
die Fliegen, sagt, heute werde die Luft kochen, weil die Fliegen so früh schon
wie verrückt im Zickzack herumtanzten, und obwohl ich noch ganz schlaftrunken bin,
schaue ich meine schöne dicke Tante an, die in einem wild gemusterten Kleid vor
mir steht, als seien die 70er Jahre noch in voller Blüte, und ich bin
beeindruckt, dass sie die Fliegen, die mich nur nerven, in einen grösseren, mir
unverständlichen Zusammenhang bringen kann. Kommt, wir müssen los, damit wir
beizeiten wieder zurück sind, und Tante Icu packt ihren Korb, den ihr Mutter
sofort wieder aus der Hand nimmt, ich bin ja die Jüngere!, und Nomi und ich
schultern unsere Taschen, die wir gestern mit Kleidern
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