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Abonji, Melinda Nadj

Abonji, Melinda Nadj

Titel: Abonji, Melinda Nadj Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tauben flieggen auf
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sitzen fest, die Räder drehen durch, mein Vater
fängt an zu fluchen, Breschnew, du sollst deinen stinkenden Arsch ticken (und
niemand von uns sagt, dass Breschnew schon lange tot ist), die Scheibenwischer
sind hysterisch, Nomi und ich blicken in das gelbe Licht einer Strassenlaterne,
der Regen ist ... auf Jagd!, sagen wir und lachen nicht, weil Vater aufs Pedal
drückt, das System verflucht, den Zweitakter und den Kommunismus, der Wagen
ist nicht für hier gemacht, sagt meine Mutter leise, hält sich immer noch am
Seitengriff fest, wir sollten Hilfe holen, sagt sie, mein Vater stülpt sich die
Jacke über den Kopf, versinkt mit seinen grauen Halbschuhen im Dreck, ich höre
das sumpfige Geräusch, das schmatzende, gierige Geräusch von nassem Dreck, mein
Vater, der schliesslich seine Schuhe auszieht, seine Socken, nacktfüssig durch
den Dreck watet, über die Kanalisation springt, bis zum Haus meiner Tante
rennt, die Klingel drückt, und ich kann das Bellen der Hunde hören, zwei
Schäferhunde, die nichts anderes tun, als in einem Zwinger hin und her zu
patrouillieren, nur wenn sich Bela, unser Cousin, mit breitbeinigem Schritt dem
Zwinger nähert, fangen die Hunde an zu winseln, ziehen sich jammervolle Töne
wie dünne, scharfe Fäden durch die Luft, Nomi und ich stehen dann meist
abseits, beim Ziehbrunnen, beobachten, wie die Hunde ihre Schädel demütig auf
den staubigen Boden drücken, als hätte sie Bela betäubt oder verzaubert, was
dasselbe ist, als würden sie sich für die soeben noch gefletschten Zähne
entschuldigen. Bela, der mit einem routinierten Handgriff den Zwinger öffnet,
den Hunden ein paar beiläufige Klapse auf den Rücken gibt (wie wenn er nie mit
Teddybären gespielt hätte), ebenso routiniert deren Scheisshaufen mit dem
Reisigbesen aufkehrt, die Restscheisse mit dem Gartenschlauch wegspritzt, Bela,
der nicht nur die Hunde mit seinem Blick bändigt, der jetzt mit meinem und
seinem Vater ohne Hast auf uns zukommt, auf unseren Wagen, während die Väter
rennen, als hätte Bela sie aufgescheucht, als würde er sie vor sich
hertreiben, er, der mit erhabenen Schritten, verschränkten Armen den Dreck
besiegt, indem er ihn gar nicht beachtet.
     
    Bela, der seine Begabung oder
seinen Trieb zum Dompteur im Laufe der Jahre weiter perfektioniert, einer der
besten Taubenzüchter des Landes wird, mit seiner Tippler Taubenzucht weit über
die Landesgrenzen hinaus Aufsehen erregt ... und als man für die systematische
Tötung und die Zerstörung des Landes Männer braucht, wirkt die Geste, mit der
Bela auf seine mit akribischer Sorgfalt ausgestellten Pokale zeigt, unübertroffen
hilflos, und die Männer in ihren erdfarbenen, nüchternen Uniformen lachen im
ersten Moment fast verlegen, als sie die Trophäen erblicken, welche in ihrem
aufwändigen, vergoldeten Kitsch tatsächlich eine glänzende Laufbahn dokumentieren.
Und einer von ihnen muss die Hacken zusammenschlagen, verkünden, dass jetzt, in
der heutigen Zeit alles in die Luft fliege, und da, wo Bela nun hinkomme, werde
er vieles vergessen, zuallererst aber seine himmlischen Geschöpfe oder besser
gesagt: seine fliegenden Ratten.
     
    Begrüssung verschieben wir auf
später, sagt Bela, da sein Gesicht zur Wagentür hereingrinst, wir ihn umarmen
wollen, jetzt wird erst mal gearbeitet, er und Onkel Piri schieben, während
mein Vater aufs Gas drückt, meine Mutter sich immer noch an der hellbraunen
Lasche festhält, meine Schwester und ich, wir sind zwei zappelige, aufs
Trockene gesetzte Fische, sehnsüchtig nach diesem warmen Sommerregen, der
unsere hellen Sommerhosen, unsere in glitzernder Schrift und mit "Hollywood"
bedruckten T-Shirts sekundenschnell durchnässt, die Kleider, die am Körper
kleben wie eine zweite Haut, die Räder, die noch ein paar Mal durchdrehen,
bevor sie sich, begleitet vom Fluchen der Männer, entschliessen, das zu tun,
was man von ihnen erwartet, nämlich drehen und nicht durchdrehen.
    Tante Icu stellt Brot auf den
Tisch, Tomaten, Würste, Paprika, ihr müsst ausgehungert sein, Sahne, Quark,
frische Butter, meine Tante, deren trockene Locken jetzt, spät in der Nacht, am
Kopf kleben, ihre himmlischen Augen, die sich mädchenhaft freuen, Kinder,
Kinder, dass ihr endlich da seid! Und der Tisch ist noch nicht voll genug, den
Speck muss ich noch holen, wie konnte ich den Speck vergessen und den Schnaps!,
ihr fülliger Körper, der nochmals in der Speisekammer verschwindet, um im
nächsten Augenblick den Tisch mit einer

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