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Abonji, Melinda Nadj

Abonji, Melinda Nadj

Titel: Abonji, Melinda Nadj Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tauben flieggen auf
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womöglich noch dasselbe Badetuch teilen?), nix Wegge, sagt Vater (weil es das Wort
auf Ungarisch gar nicht gibt!), sondern eine Notlösung. Du hast gesagt, ihr
seid modern gewesen, damals, antworte ich; war ein Scherz, Ildi, hast du das
nicht gemerkt?, ich glaube, wir haben etwa zwei Jahre so gewohnt, mit Sandor
und Iren, oder? Vater, der Mutter seine Hand mit dem Ehering hinhält, zwei
Jahre und vier Monate, sagt Mutter und nimmt Vaters Hand; Nomi, die mich
anschaut, wahrscheinlich aus demselben Grund, aus dem ich sie anschaue (die
Erinnerung an einen Silvester, als unsere Eltern sich schön gemacht haben,
Vater, der Mutter am Nachmittag das Haar gefärbt hat, ihr die einzelnen
Strähnen sorgfältig bepinselte, Mutter, die Vater mit ihrer Nagelschere die
Schnauzhaare stutzte, und Nomi und ich, wir sassen auf dem Sofa, nebeneinander,
wir fühlten, dass uns warm wurde, bis in den kleinsten Finger, weil unsere
Eltern dann so schön vor uns standen, abends, im Korridor, Mutter in ihrem
langen, schwarz-silbernen Kleid, Vater in seinem Smoking, wir waren aufgeregt,
weil Vater seine Hand unwirklich leicht um Mutters Hüfte legte und Mutters Hand
zärtlich auf Vaters Schenkel ruhte; wir gehen jetzt, sagten sie, und wenn
jemand von einer glücklichen Kindheit erzählte, dann dachte ich an meine
gemeinsame Zeit mit Mamika und an Momente, wo ich mit meiner Schwester erlebte,
wie unsere Eltern glücklich sein konnten).
    Mutter hat sich zu ihrem
runden Geburtstag Fisch gewünscht, dass wir in einem Fischrestaurant essen, und
Vater hat zur Überraschung die Ehepaare eingeladen, mit denen sie schon lange
befreundet sind, Zoltán und Birgit, Sändor und Iren mit ihren Kindern und
natürlich die beiden Schwestern, Frau Köchli und Frau Freuler; als Vater das
Auto vor einem Seerestaurant parkiert, in dem sie nur Fischgerichte servieren,
sagt er zu uns, wir müssten Mutter jetzt die Augen verbinden. Was, die Augen
verbinden?, ja, los, los, macht schon!, und Vater hält uns ein Seidentuch hin,
eine echte Überraschung funktioniert nur, wenn man plötzlich alles auf einmal
sieht, und obwohl wir Vaters Idee kindisch finden, machen wir mit, Mutter, die
sich offenbar freut, dass Vater sich etwas Besonderes zu ihrem Geburtstag hat
einfallen lassen; und wir führen Mutter mit verbundenen Augen ins Restaurant,
Nomi führt sie an der einen, ich an der anderen Hand, und Vater winkt uns zu,
macht Handzeichen, als wären unsere Augen auch verbunden.
    Zur Überraschung gehören ein
langer, weiss gedeckter Tisch, eine grosse Vase mit roten Rosen, die Mutter so
gern mag, ein paar Geschenke, die schön verteilt auf dem Tisch auf Mutters Hände
warten, die eingeladenen Gäste, die ganz still auf ihren Stühlen sitzen, der
Geiger und der Kontrabassist der vierköpfigen Band, die jetzt, bei unserem
Eintreten, lang gezogene Töne spielen, und erst beim zweiten Hinsehen bemerke
ich, dass noch etwas zur Überraschung gehört, nämlich ein Platz am Fussende
des Tisches, der leer bleiben wird, der aber gedeckt ist und an dem ein
gerahmtes Foto von Tante Icu steht. Findest du das eine gute Idee, flüstere
ich in Vaters Ohr, als Mutters Augen noch verbunden sind und Nomi mich mit
einem fragenden Blick anschaut, warum denn nicht, sagt Vater, ich habe das Bild
extra vergrössern lassen, und ihre Lieblingsschwester soll doch an ihrem
fünfzigsten Geburtstag auch dabei sein!
    Kann man dagegen etwas
einwenden? Mutter, die sich jetzt die Augenbinde abnehmen darf, in die Hände
klatscht, als sie alles sieht, die vertrauten Gesichter, die Blumen, die Musik,
die für sie aufspielt, eine schwebende Melodie zum Auftakt, und Mutter fallt
Iren und Sändor in die Arme, deren Kindern, Zoltán und seiner Frau Birgit,
begrüsst die Schwestern mit einer Umarmung, Mutter, die den leeren Platz mit
Tante Icus Foto gar nicht zur Kenntnis zu nehmen scheint, und nachdem sie ihr
Jäckchen ausgezogen hat, fängt sie sofort an, mit Vater zu tanzen, in meinem
Lieblingskleid, ein bronzefarbenes Kleid, in dem ihr Hals so schön aus den
Schultern wächst, was beim Tanzen unvorstellbar elegant aussieht, und die
anderen Paare stehen auch auf, schnippen mit den Fingern, die beiden
Schwestern, die noch einen Moment lang sitzen bleiben, sich dann aber beim
Aufstehen helfen, schüchtern und doch fröhlich mit allen anderen mittanzen.
    Nomi und ich, wir setzen uns
zu Attila und Aranka, den Kindern von Iren und Sändor, die wenig älter sind als
wir, und es ist eine eigene, schwer zu beschreibende

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