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Abonji, Melinda Nadj

Abonji, Melinda Nadj

Titel: Abonji, Melinda Nadj Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tauben flieggen auf
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woanders, folge nur Mutters Stimme.)
    Die Geschichte einer Frau, die
über dreissig ist, als sie ihr drittes Kind bekommt, und weil die anderen
beiden schon ausser Haus sind, verheiratet, als die spätgeborene Tochter noch
klein ist, wächst sie wie ein Einzelkind auf, verwöhnt bis in den kleinsten
Zeh, so der Vater, der als Kutscher arbeitet, viel unterwegs ist, und als das
Kind heranwächst, schaut sein Vater es manchmal lange an, mit einem reglosen
Blick, wie das Mädchen ihn nur von den Soldaten kennt, ein Blick, der etwas
bedeutet, was, erfährt sie, als sie sieben Jahre alt ist und ihre Eltern sich
eines Nachts streiten, ihr Vater ihre Mutter schlägt, ob ihr denn schon
aufgefallen sei, dass das Kind nichts von ihm habe, so schreit der Vater, ihre
Mutter, die ihren Mann schreien und reden lässt, nicht antwortet, das Mädchen
sei nicht von ihm, er habe schon gehört, wo sie sich rumgetrieben habe, immer
wieder, in all den Nächten, in denen er nicht da gewesen sei, sie habe sich
einen fremden Samen geben lassen, er sehe das dem Mädchen an, der Nachbar stehe
dem Mädchen im Gesicht geschrieben, sie mache ihn zum Gespött, er werde sie verstossen, vertreiben
aus seinem guten Haus, und die Mutter des Mädchens wehrt sich immer noch
nicht, der Vater schlägt weiter zu, und er habe es genau ausgerechnet, in der
Zeit, wo das Kind hätte gezeugt werden müssen, hätten sie das Bett gar nicht
miteinander geteilt, und sie habe immer etwas Flackerndes in den Augen gehabt,
wenn der Jözsi da gewesen sei. Und der Vater schlägt so heftig zu, dass das
Kind weinend die Tür öffnet und seine Mutter es in die Arme nimmt, es
streichelt und jetzt endlich etwas sagt. Du behauptest, das Mädchen sei dem
Jözsi wie aus dem Gesicht geschnitten, ach ja? Ich sage dir, unsere Tochter hat
gar nichts vom Jözsi, deine Fifersucht macht dich nicht nur blind, sondern auch
vergesslich: Weisst du nicht mehr, wie früh unser Kind auf die Welt gekommen
ist, hast du daran gedacht, bei deinen merkwürdigen Berechnungen? Wenn du also
wirklich von dem überzeugt bist, was du sagst, dann pack du meine Sachen und stell uns auf
die Strasse, jetzt, sofort! Grossmutter, die offenbar in ihrem Leben noch nie
so geredet hat, so bestimmt, fast kämpferisch, ihr Mann, der daraufhin ein
paar Tage verschwindet, und als er wiederkommt, öffnet er die Tür, setzt sich
an den Tisch, und während Grossmutter niederkniet, um ihm die Stiefel von den
Beinen zu ziehen, sagt er, mach mir etwas zu essen, ich habe Hunger.
    Die Hauptspeise wurde
aufgetragen, verschiedene Süsswasserfische, auf dem Rost gebraten, Petersilienkartoffeln
und Spinat, und dazu haben wir einen leichten, trockenen Weisswein getrunken,
wie ihn Mutter mag; ich habe das Saallicht gelöscht, und Nomi hat den
mehrstöckigen Geburtstagskuchen hereingetragen, Mutter hat unter Beifall die
Kerzen ausgeblasen, die schmalen Kerzchen aus dem Guss gezogen, den Kuchen
angeschnitten, die Stücke verteilt, und nach dem Dessert haben sich Frau
Köchli und Frau Freuler verabschiedet, die Band hat nochmals aufgespielt, alle
haben wieder getanzt, wie wenn wir in unserer Heimat wären!, rief Vater übermütig,
und die Männer fingen an, Bier mit Zusatz zu trinken, und die Frauen
beschlossen, hart zu bleiben, heute fahren wir nach Hause, sagte Iren, sagte
Birgit, sagte Mutter, und nachdem die Band ihre Instrumente in die Koffer
gepackt hatte, rauchten die Köpfe der Männer, weil die Politik noch besprochen
werden musste, die Mütter, die sich am anderen Ende des Tisches
zusammensetzten, unhörbar miteinander sprachen; Nomi, Aranka und ich, wir
standen am Fenster, schauten zum See hinaus, in die Lichter, die am
gegenüberliegenden Ufer glänzten, und als ich mich wieder dem Saal zudrehte,
war Zoltáns Kopf angeschwollen, erinnerte mich an eine pralle Pfingstrose, und
es hörte sich so an, als würden er und Vater sich wie verrückt streiten, dabei
versuchten sie nur, einander in ihrer Lautstärke zu übertrumpfen, diese
Scheisskommunisten müssen endlich überall entmachtet werden (der Kellner, der
die Schnäpse um die gestikulierenden Hände der Männer jonglieren musste), die
sind für den Krieg verantwortlich!, ja genau, die Roten hatten schon immer mit
Blut zu tun ... ich hörte die Sätze, die die Männer in die Luft schleuderten,
vor allem Vater und Zoltán, und es waren lauter Behauptungen, die dann bloss da
hingen in der Luft, eigenartig fremd und verloren, und es erstaunte mich
weniger als sonst, dass die

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