Abonji, Melinda Nadj
genommen hatte, die Palatschinke hoch und fragte, was ist das?, ein
fauler Hund, Tante Manci am Schnarchen, eine Kuh am Pinkeln, der Mond von
gestern Abend; wir haben uns die Zeit mit allem Möglichen vertrieben, haben
durch die dreckigen Fenster Fahrräder gezählt, streunende Hunde, rauchende
Schornsteine, diese Busfahrt, die sich von allen anderen Busfahrten nur dadurch
unterschied, dass sie viel länger dauerte, der Chauffeur, der den Bus mehrmals
parkierte, den Motor laufen liess und lachend
Pause-zum-Pinkeln-zum-Luft-schnappen-zum-Turnen-und-Beten rief.
Während dieser ganzen Fahrt
haben wir, soweit ich mich erinnern kann, nur wenige Worte miteinander
gesprochen, Sie haben immer wieder ein Lied gesummt, und weil der Motor des
Busses so laut war, der Buschauffeur das Radio angedreht hatte, zu den Liedern
pfiff oder sang, lehnte ich mich an Ihre Schulter, um Sie zu hören, Nomi, die
durch den Sitzspalt zu uns blinzelte und dann einnickte, und als wir spät
abends in ein Lichtermeer eintauchten, im Bus alle Köpfe an den Fenstern
klebten, weil wir endlich da waren, in Belgrad, da sagten Sie zu mir: Schau
mal, die Stadt hat auf uns gewartet, auf unseren verdreckten, verstaubten Bus
aus der Provinz.
Real big
Als die Sonne durch die
Fenster des Mondial scheint, an einem Vormittag, an einem normalen Vormittag im
Sommer, ich zwischen den Bestellungen immer wieder hinausschaue, ins Freie, zu
den Blättern des Kastanienbaumes, die sich in ihrem satten Grün leicht,
zärtlich in der Sonne bewegen, und es ist ungewöhnlich viel los, an diesem
Morgen, so viel, dass ich eigentlich gar keine Zeit habe, irgendwohin zu
schauen, Glorija, deren schön lackierte Fingernägel immer wieder auf der Theke
klimpern, weil ihre Hände und Beine schneller sind als ich, wo bist du?, hier!,
antworte ich; als die Sonne Lichtflecken auf den Teppich zeichnet, den braunen,
beige gemusterten, muss ich Glorija immer wieder fragen, was sie gerade
bestellt habe, ein Vormittag, an dem ich ständig den Faden verliere, nicht
flüssig arbeite, abgelenkt bin, weil ich die Luft sehe, wie sie erfüllt ist
mit kleinen Wesen, Stäublingen, Glorija, die sagt, dass sie ein Käsesandwich
brauche und ein Vier-Minuten-Ei, aber sie werde die Bestellung selber aufgeben
in der Küche, danke!, und ich stelle mir vor, während ich die Mahlmaschine
anstelle, wie sich die Stäublinge überallhin setzen, auf die Croissants, wie
sie es sich in Frisuren gemütlich machen, und ich weiss, dass Dalibor dafür
verantwortlich ist, für meine Langsamkeit, meine Lichtverliebtheit, ich sehe
Dalibor, wie er mich anschaut, ich sehe, wie seine Lippen lachen, als seine
Finger meine Hüfte berühren, als wir uns gegen den Kastanienbaum lehnen, du
bist schön, sage ich zu ihm, zum Kastanienbaum, und der Mond dreht sich im
nächsten Moment durch die Blätter, wir legen uns hin, wir liegen, als unsere
Hände sich suchen, und ich höre seine Stimme in meinem Rücken, ich bin
aufgeregt, sagt er, sage ich, und meine Haare suchen seinen Bauch, meine Haare
auf seinem Bauch, und ich verliebe mich in die Art, wie sein Atem seinen
Bauchnabel bewegt, die feine, aufgeregte Bewegung an meinen Lippen, und als
ich gerade drei Espressi eingespannt habe, höre ich die Sprache, die eigentlich
absolut verboten ist, Serbokroatisch (Mutter und Vater, die Glorija und Dragana
schon vor Monaten untersagt haben, in ihrer Muttersprache miteinander zu
sprechen), ich höre also plötzlich die verbotene Sprache, Glorijas Stimme, die
ungewöhnlich laut ist, aber noch lauter sind Draganas Konsonanten und Vokale,
einen Moment lang höre ich den beiden Stimmen zu, die sich ineinander
verzahnen, es fällt mir auf, wie unangenehm es mir ist, dass ich zwei Stimmen
höre, die heftig sind, und keine Ahnung habe, warum sie es sind, nur einzelne
Worte, die herausblitzen, zena, Frau, dorn, Haus, rat, Krieg, ti, du, und über die Cimbali hinweg sehe ich, dass sich
Köpfe in Richtung Küche strecken, ich, die überlegt, ob sie bedienen soll, einfach
so tun, wie wenn nichts wäre, Tudman!, höre ich, Milosevic!, und ich wische meine Hände an der Schürze ab, gehe mit
raschen Schritten in die Küche, um zu sehen, was los ist.
Vater, der mir mit den Händen
bedeutet, die Tür zuzumachen, Dragana, die sich gerade an der Waschmaschine
abstützt, versucht aufzustehen, Marlis, die ihr die Hand hinstreckt, aber
Dragana ignoriert die dargebotene Hand, während sie laut weiterspricht, Glorija,
die immer noch auf dem Boden
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