About Ruby
dazu.
»’tschuldigung«, rief in dem Moment ein bärtiger Typ in Sandalen zu uns rüber, der bei seinem Vitaminlädchen in der Nähe stand. »Trinkst du zufällig Kaffee? Oder was ist das in deiner Hand?«
Harriet sah mich halb ertappt, halb verschwörerisch an. »Nein«, rief sie betont beiläufig zurück. »Kräutertee.«
»Sagst du auch die Wahrheit?«
»Würde ich dich jemals anlügen?«
»Absolut«, antwortete er.
Sie seufzte. »Ist ja gut. Kaffee. Aber bio und Fair Trade.«
»Wir haben gewettet, dass du
keinerlei
Koffein mehr zu dir nimmst«, entgegnete er. »Du schuldest mir zehn Dollar.«
»Okay. Setz es auf die Rechnung«, erwiderte sie. Und fügte, an mich gewandt, hinzu: »Mist, ich verliere
immer
. U nd wette trotzdem weiter, auch wenn man eigentlich denken würde, ich würde es endlich aufgeben.«
Wieder einmal wusste ich nicht, was ich darauf sagen sollte. Deshalb betrachtete ich für einen Moment die Halsketten. Dann fragte ich: »Also . . . suchen Sie immer noch eine Aushilfe?«
»Nein«, antwortete sie. »Tut mir leid.«
Ich warf einen Blick auf das Schild. »Aber –«
Sie fiel mir ins Wort: »Okay,
vielleicht
suche ich ja doch jemanden.«
Von hinten räusperte sich der Vitamintyp. Laut. Sie warf ihm einen Blick zu, bevor sie zögernd fortfuhr: »Ja, ich suche eine Aushilfe.«
»Klingt interessant«, meinte ich langsam.
»Allerdings gibt es für eine zweite Person nicht viel zu tun.« Sie schnappte sich einen Staubwedel aus Federn, der in Reichweite lag, und fing geschäftig an, eine Auslage mit Armbändern damit zu bearbeiten. »Und wenn überhaupt, wüsste ich nie genau, wann; man müsste sich also ständig an mich und meinen Zeitplan anpassen. Die Arbeitszeiten wären sehr unregelmäßig. Außerdem würde ich Sie manchmal sehr oft brauchen und dann wieder kaum.«
»Das passt schon«, sagte ich.
Sie legte den Staubwedel wieder hin. Musterte mich scharf. »Die Arbeit ist ziemlich langweilig.« Es klang wie eine Drohung. »Man sitzt die ganze Zeit auf einem Fleck, während die Leute an einem vorbeilaufen. Als wäre man in Einzelhaft.«
»Jetzt hör auf, das stimmt doch gar nicht«, warf der Vitamintyp ein.
»Ich würde schon klarkommen«, meinte ich, während sie ihn böse anfunkelte.
»Wie ich bereits sagte, hier gibt’s nur mich«, verkündete sie nun. »Und ich habe das Schild bloß rausgehängt, weil . . . ich meine, keine Ahnung, warum. Ich kann den Laden auch gut allein schmeißen.«
Wieder ertönte ein unüberhörbares und dieses Mal sehr energisches Räuspern aus Richtung des Vitaminlädchens. Sie wandte sich um, blickte dem Typen direkt ins Gesicht. »Brauchst du vielleicht ein Glas Wasser oder so etwas?«
»Nein«, antwortete er. »
Mir
geht es gut.«
Einen Moment lang schauten sie einander stumm an, mit mir genau in der Schusslinie. Irgendetwas ging hier ab, ganz eindeutig. Aber mein eigenes Leben war eigentlich schon kompliziert genug. »Wissen Sie was? Vergessen Sie’s«, sagte ich deshalb. »Trotzdem vielen Dank.«
Ich trat einen Schritt zurück, sortierte kurz meine diversen Einkaufstüten, damit ich sie besser tragen konnte, und wollte gerade gehen, da hörte ich in meinem Rücken ein erneutes Räuspern, gefolgt von einem Seufzer. Dem lautesten Seufzer überhaupt seit Beginn unseres kleinen Plausches.
»Haben Sie denn Erfahrung als Verkäuferin?«, rief sie mir hinterher.
Ich drehte mich um. »Sowohl an der Kasse als auch an diversen Verkaufstheken«, antwortete ich.
»Und Ihr letzter Job war?«
»Ich habe für Fluggesellschaften verlorenes Gepäck ausgeliefert.«
Sie hatte eigentlich gerade maschinengewehrfeuerartig die nächste Frage stellen wollen, doch als sie das hörte, sah sie mich mit großen Augen an. »Wirklich?«
Ich nickte. Sie musterte mich erneut prüfend. Allmählich fragte ich mich, ob ich überhaupt für jemanden arbeiten wollte, der anscheinend große Vorbehalte dagegen hatte, mich einzustellen. Doch ehe ich weiter darüber nachdenken konnte, meinte sie: »Ich will ganz ehrlich zu Ihnen sein. Ich kann nicht gut delegieren. Deshalb . . . also, kann sein, dass es nicht funktioniert.«
»Auch okay«, erwiderte ich.
Und konnte spüren, dass sie immer noch zögerte. Schwankte. Wie etwas, das auf einer Kante balanciert und in beide Richtungen hin abstürzen kann.
»Meine Güte.« Der Vitamintyp schaltete sich wieder ein. »Sagst du jetzt endlich Ja und lässt das Mädchen nicht weiter zappeln?«
»Na gut.« Sie hob abrupt die Arme,
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